Orlando di Lasso . Zu seinem 300jährigen Todestag ( 14 . Juni ) . Von A . Graf . ( Fortsetzung . ) Der Herzog von Bayern ernannte Orlando alsbald znm Direktor der Kammermusik und setzte ihm jährlich zweihundert Florin als Gehalt aus ; er wäre sicher znm Kapellmeister ernannt worden , aber man wollte dem seit¬ herigen , Laser , nicht wehe thun , und zudem verstand Orlando die deutsche Sprache noch nicht vollständig . DaS große Vertrauen , das dem Meister in seiner neuen Stellung entgegengebracht wurde , rechtfertigte er auch ganz und gar . Er hatte Sänger von Antwerpen mitgebracht , gründete eine eigene große Chorknabenschule , Sänger und Musiker schaarten sich in Liebe und Eifer um ihn , der Hof unterstützte ihn materiell , wie er wollte , und in kürzester Zeit brachte er die Kapelle zu nie geahnter Größe . Er erwarb sich ein eigenes Haus von „ Catharine Stemm , Wittib und Bürgerin allhie , in der Graggcnau gelegen , erkaufst , und wozu auf fürstlichen Bevelch Jme Orlando zu einer Khauffstcuer inhalt beiliegenden Zettels 1000 Gulden bezalt wurden . " In dieses neu erworbene Heim führte er als Gattin Regina Weckhinger , Ehren - dame des herzoglichen Hofes , mit der er im größten Frieden lebte und aus welcher Ehe vier Söhne und zwei Töchter hervorgingen . Der Herzog Albert übertrug dem Meister die Kom¬ position der Bußpsalmen des königlichen Propheten David , ein Werk , das er in den Jahren 1559 und 1560 in An¬ griff nahm und vollendete . Man hat früher größtentheils angenommen , Carl IX . von Frankreich habe Orlando aufgefordert , diese Bußpsalmen zu componiren und die¬ selben in seiner Kapelle zur Aussöhnung und Buße für die Greuel der Bartholomäusnacht aufzuführen . Dem aber ist nicht so , die Zeit selbst widerlegt diese Annahme . Das berührte Blutbad fand ja statt am 24 . August 1572 , nun war aber der erste Band der Handschrift der Bnß - psalmen , welcher die Musik enthält , wie auch die Er¬ klärung der Bilder bereits im Jahre 1565 und der zweite Band im Jahre 1570 vollendet . Der Herzog von Bayern gab die Veranlassung zu dieser Komposition , vor Carl IX . wurden die Psalmen unter Direktion des Komponisten aufgeführt , wovon später die Rede sein wird . Dieses Werk brachte Orlando die Namen eines „ musi¬ kalischen Phönix " seiner Zeit , eines Fürsten der Ton¬ künstler ein , und hätte er weiter keine Note geschrieben , er wäre durch seine Psalmen unsterblich , wie es Palestrina gewesen wäre durch seine eine und einzige LIiasa . kaxus Llaraolli . Auch wir wollen diese Komposition etwas näher besprechen , und zwar an der Hand von Bäumker , wenn auch nicht so eingehend wie dieser Kenner , da der Raum uns enger zugemessen ist , nicht jeden einzelnen Psalm , sondern alle als Ganzes . „ Orlandus hat diese Psalmen in wahrhaft künstlerischer Anordnung der Reihe nach vollständig durchcomponirt . Die Komposition richtet sich in ihrer Gliederung nach den einzelnen Psalmversen . Die einzelnen Sätze sind abwechselnd bald zwei - , drei - , vier - und fünfstimmig , der Schlußsatz ist jedesmal scchs - stimmig . Das Werk ist einerseits von großer technischer Vollendung , anderseits tief durchdrungen von echt kirch¬ lichem Bewußtsein . Bald haben wir im gleichen Kontra¬ punkt Note gegen Note , bald freie Imitation , bald Canon u . s . w . Dabei dürfen wir nicht übersehen , daß die un¬ abhängige Stimmführung und nicht die durch das Zu¬ sammentreffen der Stimmen erzeugte Harmonie den Ton¬ setzern der damaligen Zeit die Hauptsache war . OrlanduL versteht es , in großartiger Weise beides mit einander zu verbinden . Seine Melodie ist fließend , seine Harmonie zeigt Fülle und Kraft . Die größere oder kleinere Stimmenzahl , sowie die vielfach wechselnde Verbindung höherer und tieferer Stimmen verleihen der Komposition eine schöne Mannigfaltigkeit . Wie der Maler die Farben mischt , je nachdem er Licht oder Schatten hervorbringen will , so mischt Orlandus die Slimmgattungen immer wieder anders , bis er dem Gedanken des Textes den zu¬ treffenden Ausdruck gegeben hat . Ebenso wie die Ton¬ lagen , weiß er auch die Tonarten in seinem Sinn als Kunstmittel zu verwerthen , und zwar durch die Wahl derselben und die Modulationen innerhalb derselben . Bewunderungswürdig ist in allen Psalmen der melodische Fluß , hervorgerufen durch die mannigfaltige rhythmische Gliederung der Stimmen und die häufige geschickte Ver¬ wendung der Synkopen , d . h . durch die Verlängerung der Noten des leichten Takttheilcs in den folgenden schweren hinüber . Ebenso sind noch hervorzuheben die wunderbar schönen zweistimmigen Sätze , die in reich - figurirter Nachahmung einen so unerschöpflichen Reichthum an zarten und aumuthigen Klängen auszuweisen haben , ferner die schönen harmonischen Kadenzen und die reich¬ bewegten , großartigen Schlußsätze . Orlandus hat sich in den Text der Psalmen vollkommen vertieft und die Em¬ pfindungen , welche wir in den Worten ausgesprochen finden , durch seine Töne gestaltet und verklärt . Er ver¬ steht es , bis in ' s tiefste Mark zu erschüttern , aber auch zu erheben und zu trösten . " Es sind goldene Kompo¬ sitionen , golden , möchten wir sagen , ist auch das Werk , in zwei Foliobänden auf Pergament abgeschrieben , nach außen hin und bildet so in der Schatzkammer der baye¬ rischen Hof - und Staatsbibliothek ein wahres National¬ werk , das von jedem Beschauer mit Ehrfurcht betrachtet wird . Es wurde auf Pergament abgeschrieben und durch den Maler Hans Mielich ausgestattet , zudem im wahren Sinn des Wortes in Gold gefaßt laut einem Auszuge der Hofkammerrechnungen : „ Dem Unger Goldschmied um Arbait wegen Bcschlagung eines Puechs 764 Gulden . " Erst im Jahre 1584 erschienen die Bußpsalmen im Druck und zwar bei Adam Berg in München , gewidmet dem Pfalzgrafen bei Rhein und Herzog von Bayern , Philipp , postulirtem und bestätigtem Bischof von Negensburg . Mit diesem Werke erstieg Orlando die Höhe seines Ruhmes , er wußte sich aber auf derselben auch zu halten . Infolge der Komposition der Bußpsalmen ernannte ihn Herzog Albrecht zum obersten Kapellmeister , nachdem der bisherige wegen hohen Alters seinen Abschied erbeten und ihn erhalten hatte unter Velassung seines Gehaltes . Aus Dankbarkeit widmete Orlando seinem Gönner schon am 1 . Juni 1562 einen Band neuer Motetten zu fünf Stimmen , sowohl von Stimmen als Instrumenten auf¬ zuführen , mit einer großen lateinischen Zuschrift , in der es u . a . heißt : „ ea proxtor , Leroo illustiissnns , iäsui - hus I ? atron6 eisiusutissiins , üb Arubi aulwi erxrr ts äaolaroiu . " Die Zuschrift zeugt von einer geradezu kindlichen Liebe und Dankbarkeit und schließt folgendermaßen : „ Was nun meinen Dienst angeht , so werde ich mir Mühe geben , durch Fleiß und Diensteifer |