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5 (1897) Politische Schriften von 1879 bis 1892
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und den Jndogermanen großasiatischer Herkunft, die sich zu dem aus Kleinasien gekommenen Christentum bekennen: wie in aller Welt soll die Praxis sich mit dieser Weisheit zurechtfinden? Auf Grund dieser Demarkationslinie wären alle als Kinder getauften oder später zum Christentum übergetretenen Juden, ferner die von getauften jüdischen Eltern oder Großeltern stammenden Christen dem Interdikt verfallen. Treitschke selbst führt die ungetauften Riesfer und Veit in einer Linie mit dem getauften Felix Mendelssohn als deutsche Juden an. Was meint er zu Stahl, dem Stifter der Schule, an welche sich die christlich-germanischen Hochkonservativen anlehnen? Was zu Neander? Von den Lebenden will ich Niemand nennen, um Niemand unbequem zu sein. Und wie ist es mit den Abkömmlingen der bereits sehr zahlreichen Mischehen? Wenn die Rassenproskription nach nordamerikanischem Vorbilde gegen die Semiten an­gewendet werden sollte, so müßte auch das Halbblut aus­gestoßen werden. Damit kämen wir schon bis in die höhern Chargen der Armee, von welchen bis jetzt zwar die Söhne, nicht aber, natürlich nur unter gewissen Bedingungen, die Schwiegersöhne Sems fern gehalten werden.

Warum doch sich mit all diesen fadenscheinigen Vor­wänden quälen! Gestehen wir es uns ehrlich: wir haben es mit einer alten, von Geschlecht zu Geschlecht seit Jahr­hunderten fortgezeugten Antipathie zu thun, die, zu einer naturalistischen Thatsache geworden, in Vielen auch die stärkste Logik nicht gegen die Macht der Gewohnheit auf­kommen läßt. Wer es erklären sollte, brauchte nicht um die Gründe verlegen zu sein; nur müßte man ihm Zeit lassen, die halbe Weltgeschichte zu Hilfe zu nehmen. Im Wesentlichen entsprang das Mißgefühl aus dem Gegensatz der Glaubensbekenntnisse, deren jedes sich für das wahre, das allein berechtigte hielt. Seitdem die Konfessionen

Ludwig Bambcrgers Ges. Schriften, V. 2