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Der große Irrtum der deutschen Lohnpolitik / von Georg Gothein
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Die Wirtschaftsentwickewng in der Tschechoslowakei .

Von den Nachfolgestaaten Oesterreich-Ungarns ist die Tschechoslowakei der wirtschaftlich bestfundierte. Frucht­barer Boden, günstige klimatische Verhältnisse, Reichtum an gut gepflegten Wäldern, reiche Mineralschätze und Heilquellen, eine arbeitsame sparsame Bevölkerung, in Clbe und Donau leistungs­fähige Wasserstraßen; sie und ein gut ausgebautes Verkehrsnetz gestalten ihre Bezugs- und Absatzbedingungen günstig. Die Zer­schlagung des einheitlichen österreichisch-ungarischen Wirtschafts­gebietes hat freilich ihre Absatzlage wesentlich verschlechtert, um so mehr, als die Nachfolgestaaten sich durch hohe Zollschranken voneinander abschließen. Trotzdem ist die wirtschaftliche Lage des Landes günstig und würde ohne die hohen Rüstungsaus­gaben noch weit vorteilhafter fein. Cs hat gegenüber der Vor­kriegszeit seine Steinkohlen- und Kokserzeugung um 20, die von Roheisen um 30, von Stahl um 36 v. H. zu steigern vermocht. Seine Ausfuhr erreichte 1928 die Summe von 2575 Mill. Reichsmark und überstieg die Einfuhr um 254 Mill. RM.

Dabei hat der Großhandelsindex die immerhin beachtliche Höhe von 136 erreicht, wobei freilich zu beachten ist, daß die Preise vor dem Krieg verhältnismäßig niedrig waren. Auch heute sind sie im Kleinhandel recht billig; in Wechselwirkung damit auch die Löhne. Im Steinkohlenbergbau betragen sie je Schicht für Untertagearbeiter 5,36, für Uebertagearbeiter 4,12 RM. gegen 8,94 bzw. 5,44 RM. im benachbarten Westoberschlefien und 10,16 bzw. 7,41 RM. im Ruhrrevier. Noch weit größer ist der Unterschied gegenüber den in der deutschen Industrie ge­zahlten Löhnen in der Textil-, der Papier -, der Holz-, der Por­zellan, der Glas-, der Zucker- und der Schuhindustrie, wo sie 40 v. H. und mehr niedriger stehen als in Deutschland . In Zucker, Garnen und Geweben, in Schuhen, in Geschirrporzellan und Glas wie in Holzwaren hat sich darüber die Tschecho­slowakei zu einem immer gefährlicheren Konkurrenten Deutsch­lands , Englands und anderer Industriestaaten entwickelt. Hand

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