Druckschrift 
Die Weiterbildung der Kant'schen Aprioritätslehre bis zur Gegenwart : ein Beitrag zur Geschichte der Erkenntnistheorie / Rudolf Eisler
Entstehung
Seite
3
Einzelbild herunterladen
 
  

3

nehmung erreicht wird, von der Schule des Sokrates zuseiner ganzen Tragweite ausgearbeitet. Es ist das begriff-liche Denken, das nun in präciser Weise als das alleinigeWerkzeug der Erkenntnis angesehen wird. Nur das Seiende,d. h. das im Wechsel des Geschehens constant sich Er-haltende, ist der Erkenntnis zugänglich; von dem Nicht-seienden, als dem Veränderlichen, giebt es kein eigentlichesWissen. ] ) So tritt bei Plato die sinnliche Wahrnehmungvöllig in den Hintergrund. Das Seiende, welches in den all-gemeinen Eigenschaften und Arten der Dinge enthalten ist,wird nur dadurch erkannt, dafs es in Begriffen fixiert wirdund umgekehrt kommt nur dem begrifflich Gedachten wahresSein zu. 2 ) Innig verwebt mit dieser erkenntnis-theoretischenGrundanschauung ist Piatos Lehre von den angeborenenIdeen, in welcher der gesamte Rationalismus seine Wurzelhat. Die Begriffe, mittelst welcher das wahrhaft Seiendeerkannt wird, stammen nach Plato aus einer Periode derPräexistenz der Seele, in welcher sie der Anschauung derIdeen 3 ), der ewigen Urbilder der Sinnenwelt, fähig war. Sobesteht denn, im Grunde genommen, alles Wissen 4 ) in einerWiedererinnerung und die Vernunft ist im Stande, aus sichselbst durch reines Denken Erkenntnisse zu produziren.Wenn auch Aristoteles die sinnliche Wahrnehmung als Er-kenntniselement nicht in dem Mafse verwirft, wie Plato esthut, so läfst doch auch er alles wahre Wissen, das ihm umso objektiver erscheint, je allgemeiner sein Inhalt ist, ausdem begrifflichen Denken entspringen und er schreibt derVernunft das Vermögen einer unmittelbaren, gegen allenIrrtum gesicherten Erkenntnis der allgemeinen Prinzipien der

x ) Nach Parmenides . Vgl. Mullach, Fragm. 33 ff.-) Republ. V u. VI.3 ) Republ. X.

*) Die Objekte der Mathematik stehen mitten zwischen denIdeen und den sinnlichen Dingen und ebenso ist das mathematischeWissen selbst ein Mittelding zwischen begrifflicher und sinnlicherErkenntnis.

1*