Druckschrift 
Volkswirtschaftliche Studien aus Rußland / von Gerhart v. Schulze-Gävernitz
Entstehung
Seite
2
Einzelbild herunterladen
 
  

2

Intelligenz" ist seit Peter d. Gr. ein empfangendes, heute füreinige Wissenschaften, zu denen ich auch die Nationalökonomierechne, ein gebendes Mitglied der Welt des europäischenDenkens.

Aber nicht die europäischen Gedanken europäisierenRufslands Verhältnisse. Ohne Einflufs auf die gesell-schaftliche Struktur des Ganzen verkümmern sie in der dünnen,litterarisch gebildeten Oberschicht, weil ihnen der volkspsycho-logische Boden fehlt, in den sie breite Wurzeln einsenkenkönnten. Von Bedeutung werden die philosophischen, poli-tischen, socialen Gedanken Europas in Rufsland erst insoweit,als sie den eigenartigen wirtschaftlichen Bedürfnissendes Zarenreichs sich dienstbar erweisen. Unter diesen wirt-schaftlichen Bedürfnissen steht bislang das finanzpolitischeInteresse des Staates, welcher nach aufsen die Rolle einereuropäischen Grofsmacht, ja einer Weltmacht spielen will,obenan. Diesem politischen Interesse dient seit Peter d. Gr.Rufslands Hande 1 s- und Gewerbepolitik, ihm vor allemdie gewaltige grofsindustrielle Entwicklung des modernenRufsland.

Aber auf dem Umwege des wirtschaftlichen Bedürfnisses,unabhängig vom Willen der Menschen, der Litteraten wie derStaatsmänner, vollzieht sich langsam diejenige Europäisierung,welche wichtiger ist als alles, was in den oberen Schichtenvor sich geht: in der breiten Tiefe des Volkes entwickeltsich der psychologische Typus des Europäers, und zwar des-wegen , weil er für die Befriedigung der wirtschaftlichen Be-dürfnisse sich als vorteilhafter erweist.

Hand in Hand hiermit geht trotz aller merkantilistischenAbschliefsung eine zunehmende Verflechtung der russischenVolkswirtschaft mit dem Handels- und Kreditnexus West-europas , insbesondere des westeuropäischen Festlandes. Es be-deutet dies nach innen die Europäisierung der russi-schen Volkswirtschaft. Auch sie ist unvermeidlichgerade im Dienste der politischen Selbstbehauptung undMachterweiterung des Staates.

T " r f ni