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Tulas, der am meisten vorgeschobene Posten des mittel-russischen Industriebezirkes, liegt immerhin erst in den Grenz-gebieten der schwarzen Erde. Dagegen ist die weit im Südenangesiedelte Montanindustrie des Dnjepr -Donezbeckens aller-modernsten Ursprungs 5 ausländisches Kapital hat erst in denachtziger Jahren ausländische Vorarbeiter und nordrussischeArbeiter in die bis dahin durchaus ungewerbliche Steppe desSüdens gerufen.
Im Norden wird der mittelrussische Industriebezirk be-grenzt durch die unermefslichen Wälder, welche sich vomnördlichen Ufer der Wolga bis zu der polaren Tundra undden Grenzen der Vegetation erstrecken. Allzu grofse Kargheitder Natur und Strenge des Klimas verhindern hier denwirtschaftlichen Aufschwung; noch heute lebt hier der Menschder ursprünglichen Beschäftigung eines Fischer- und Jäger-lebens. Vor Zeiten gehörte der Industriebezirk selber demWaldgebiete an; noch gegenwärtig sind 32 °/o seiner Ober-fläche mit Wald bedeckt. Ja, der Wald war für das Auf-kommen der modernen Fabrikbetriebe notwendige Voraus-setzung; er lieferte, beim Mangel an Steinkohle, lange Zeitdie Heizung der Dampfkessel; erst heute wird das Holz durcheinen weit intensiveren Brennstoff, das kaspische Naphtha, er-setzt; aus den undichten Schiffen aussickernd, überdeckt esdie Wolga vielfach mit einer schillernden Petroleumhaut.
Als Übergang zwischen der kulturfeindlichen Armut desNordens und der landwirtschaftlichen Fülle des Südens wiesder mittelrussische Bezirk seine Bevölkerung von vornhereinauf das Gewerbe. Aber das Gewerbe, soweit es nicht fürden Eigenverbrauch, sondern für den Verkauf arbeitet, er-fordert den Verkehr, und dieser ist in unentwickelten Ver-hältnissen vorwiegend Wasserverkehr 1 . Auch in dieser Hin-sicht war der geschilderte Bezirk durch seine natürliche Lage
1 Auch für das deutsche Mittelalter hat bekanntlich der Wasser-verkehr die weit überwiegende Bedeutung, vergl. z. B. Lamprecht,Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter. Leipzig 1895. Band II,S. 249.