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häufig damit die Kenntnis der bewegenden Faktoren des vonihm behandelten Specialgebietes selbst.
Die Geschichte des russischen Zolltarifs zerfällt in4 Perioden: 1. Vom Beginn des Jahrhunderts bis einschliefs-lich zum Tarif 1821 herrscht Prohibition in Gestalt von Ein-fuhrverboten und prohibitiven Zollsätzen, wobei der kurzlebige,unter dem Einflufs des preufsischen Tarifs zu Stande ge-kommene Tarif von 1819 nur eine vorübergehende Schwankungbedeutet. 2. In den Jahren 1824 bis 1850 wird unter Be-seitigung der Einfuhrverbote der Tarif von prohibitivem aufhochschutzzöllnerischen Boden gestellt. 3. Die Tarife von1850, 1857, 1807 bringen weitere Herabsetzung der Zölle aufgemäfsigt schutzzöllnerische Basis und bedeuten einen Siegfreihändlerischer Strömungen. 4. Seit 1877 beginnt eine rück-läufige Bewegung, welche in verschiedenen Etappen bis zudem hochschutzzöllnerischen Tarif von 1891 führt. Diese Datenzeigen einen auffallenden Parallelismus mit der deutschen, jader europäischen Entwicklung.
Aber eine Einsicht in handelspolitische Entwicklungenverlangt, dafs man die Interessen- und Klassengegensätze auf-weise, welche in den dürren Zahlen eines Tarifs ihre Mittelliniefinden. Alsdann zeigt sich, dafs die handelspolitischen Wellen,ähnlich den litterären Strömungen, zwar häufig über ganzEuropa hingehen, dafs sie aber, je nach der wirtschaftlichenEntwicklungsstufe eines Landes, verschiedene Träger findenund verschiedenen Interessen dienen.
War von diesem Gesichtspunkte aus das russische Zoll-system bis 1850 der Ausdruck industrieller Unternehmer-interessen ?
Bauer wie Adel gingen damals noch vorwiegend in Kleidern,welche aus der Wolle ihrer Herden und dem Flachs ihrerFelder auf dem Guts- oder Bauernhofe hergestellt waren. DieFelder des Adels wie die eigenen bestellte der Bauer mithölzernen, selbstgefertigten Geräten. Beide, Bauer wie Adel,wohnten in Häusern aus dem Holz ihrer Wälder und kauftenwenig Eisen und Textilstoffe, diese Träger moderner Industrie-entwicklung. Nur wenige bevorzugte Söhne des Adels,