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Volkswirtschaftliche Studien aus Rußland / von Gerhart v. Schulze-Gävernitz
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Einfuhr Deutschlands aus Rufsland hat sich von 3400 Mill.Mark jährlich Ende der 80er Jahre auf über 700 MillionenMark 1897 gehoben.

Nach seiner geographischen Lage aber ist ein Teil Deutsch-lands zugleich derjenige Abnehmer, an den Rufsland am vor-teilhaftesten, weil mit den geringsten Frachtkosten, verkauft.

Es zeigte sich dies nach Abschlufs der deutschen Handels-verträge mit Osterreich und den Balkanstaaten, an deren Ver-günstigungen Amerika , nicht aber Rufsland teil nahm. Deroffizielle Finanzbote (1893 Nr. 32) schrieb darüber:DerUnterschied zu Gunsten der konkurrierenden Länder beträgt7,6 Kopeken Gold gleich 12 Kopeken Kredit pro Pud Getreide,was einer Fracht von 500 Werst nach den russischen Eisen-bahntarifen gleichkommt." In der That wirkte der deutscheDifferentialzoll nicht anders, als ein russischer Ausfuhrzollgewirkt hätte Verhältnisse, die der deutsche Kampfzollweiter verschlimmerte.

Wie sehr Deutschland der naturgemäfse Markt russischerProdukte ist, zeigte sich auch darin, wie schnell es seine,durch den Zollkrieg unterbrochene Bedeutung für denrussischen Absatz wiedergewann 1 .

Deutschland ist endlich der einzige ausländische Ver-braucher russischen Roggens. Deutschland kann für seineFabrikate im Notfall andre Käufer suchen, nicht aber Rufslandfür seinen Roggen. Beim Roggen wird daher nach den Unter-suchungen Conrads auch ein gröfserer Teil des deutschenGetreidezolles auf den russischen Produzenten abgewälzt, wiebeim Weizen; bei Steigerung der deutschen Zölle, also z. B.bei den Kampfzöllen des Zollkrieges, suchte Rufsland seinenRoggeniiberschufs unter allen Umständen zu verkaufen, selbstunter grofser Einbufse am Preis: es lag einNotangehot"vor, in welchem Falle der Preisbildung der Verkäufer stetsden kürzeren zieht. Klimatische und wirtschaftliche Gründeaber verhindern breite Gebiete Rufslands, vom Roggen- zum

1 Hierüber vergl. den interessanten Bericht des Generalkonsulsder Vereinigten Staaten zu Frankfurt a. M. 1894, mir bekanntaus Raffalovich, Marche financier 1894/95, S. 202.