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Karl Helfferich zum Gedächtnis : [Reden am Sarge in Mannheim am 30. April 1924]
Entstehung
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Nie aber auch hat einer unter uns geweilt, der mehr als dieserGroße von der Notwendigkeit der Autorität innerhalb derPartei überzeugt gewesen wäre, und immer wieder hatHelfferich,so oft es einmal not tat, den Freunden durch sein leuchtendesVorkild wie durch seine flammenden Worte eingehämmert,daß Zucht und Selbsterziehung das oberste Grundgesetz einerOrganisation wie der unserigen sein müßten und daß nur,wer sich selber zur Pflicht erzogen hat, von anderen Gehorsamund Gefolgschaft fordern kann. Die Welt sah nur das politischeWerk von unserem Helfferich, wir sahen seine Arbeit undseine Motive, und um dieser Arbeit und dieser Motive willenhaben wir ihn geliebt! Wir sahen seine Selbstlosigkeit,seine Treue den Freunden gegenüber, seine hilfreiche Hand,wo immer es galt, die Not zu lindern, seine Hochanständigkeit,die ihn z. B. lieber auf den Hauptteil seiner Pension verzichtenließ, damit nur ja nicht der Verdacht entstehen könnte, alswolle er sich einen unverdienten Groschen vom Staate aus-zahlen lassen. Um alles dessentwillen haben wir ihn geliebt;noch heute aber an seiner Bahre danken wir vor allem es demVerstorbenen, daß er uns auch Einblick in sein Familien-leben mit seiner überreichen Fülle an edelsten Empfindungenhat nehmen lassen. Wir sahen die treue, jetzt zum zweitenMale durch ein ähnliches Geschick zu schwer geprüfte Gattinauf unseren Tagungen unter uns, wie sie aufging in ihresGatten Arbeit, wie sie sein Leben in innigster Seelengemein-schaft miterlebte, wie sie ihm helfend zur Seite stand, wie sie sichniemals, auch nicht in Gefahren, von ihm trennen wollte, undwie sie in all den schweren Zeiten, die ihr nicht erspart gebliebensind, tapfer die Sorgen auf sich nahm, die ihren Mann be-drückten. Wir sahen, wie unser Freund Helfferich wiederjung wurde in seinem Söhnchen, das ihm ein gütigerHimmel beschert hatte, und es ging ein Raunen unter uns,daß jeder die Sorgenfalten und Sorgenlinien, die etwa an-strengende Arbeit oder die Folge der Erkrankung auf dem

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