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Karl Helfferich zum Gedächtnis : [Reden am Sarge in Mannheim am 30. April 1924]
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Dahlem , den 25. April 1924.Liebe Tante Annette!

Verzeih, wenn ich den Berg der Briefe und Telegramme,der sich jetzt vor Dir aufhäuft und der Dich im Grunde dochnicht berührt, noch vergrößere. Denn ich fühle gut genug,so wenig wie die Beileidsbezeugungen Außenstehender dem,was wir engeren Verwandten um Onkel Karl und um Dichempfinden, gerecht zu werden vermögen, so wenig könnenwir Deinen Schmerz ermessen.

Ich will Dir nur sagen, was mi ch bei diesem erschütterndenEreignis bewegt, nicht weil ich Dich verstände, sondern weilDu mich verstehen wirst.

Onkel Karl ist einer der ganz wenigen Männer der älterenGeneration gewesen, die ich verehrt habe. Wir jungen Leutestehen ja leider zur Gesamtheit dieser älteren Generationnicht in dem natürlichen Verhältnis ununterbrochener Tradition,das gesund wäre. Das ist keine Ideologie, sonst hätte ich michda längst wieder frei gemacht. Der Verlauf der letzten 15 Jahrescheint uns ja auch recht zu geben. Das ist schmerzlich, dennein junger Mensch bedarf einer heldischen Gestalt, der er nach-lebt, ohne Romantik. Onkel Karl war einer der ganzwenigen, denen man bedingungslos, ohne Einschränkung dasRecht des Führers gab. Er war ein ganzer Mann mehrnoch ein Führer, und es ist ein schlechter Trost für uns zuwisse», daß sein Platz offen bleibt, die wir leere Hände undeinen guten Willen haben und die Erkenntnis, aus eignerFührung noch nichts zu vermögen. Wir fügen uns demütigin den Willen Gottes, den zu verstehen uns Menschen nichtgegeben ist, und auf unsern jungen Schultern liegt die Lastder Verantwortung in erhöhtem Gewicht. Das ist, wasmich bewegt und was ich Dir sagen wollte. An das, wasDich bewegt, zu rühren, vermesse ich mich nicht.

Dein Gerhard Wieg and.

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