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Karl Helfferich zum Gedächtnis : [Reden am Sarge in Mannheim am 30. April 1924]
Entstehung
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diejenigen tun ihm Unrecht, die in ihm nur einen Mann derKritik, nicht aber des positiven Schaffens sehen. Wenn eseinen Mann der Tat gab im neuen Deutschland , so war eres ganz gewiß. Zwar waren ihm durch die politischen Ver-hältnisse die Hände gebunden und die volle Auswirkung aktivenSchaffens versagt. Aber allein schon die Schaffung der Renten-mark müßte für alle Zeit genügen, in ihm den gestaltendenGeist zu erkennen. Viele seiner früheren Gegner haben sichschon zu seinen Lebzeiten in immer steigendem Maße von seinerüberragenden Bedeutung überzeugt, vor seiner Größe gebeugt,und jetzt nach seinem tragischen Ende wird es auch aus denBlättern der anderen Parteien, den Stimmen des In- undAuslandes, offenbar, was Deutschland , ja was die ganze Weltverloren hat!

Helfferich ist schon jetzt eine geschichtliche Persönlichkeitgeworden, die nur im Rahmen der letztverflossenen Jahrerichtig gewürdigt werden kann. Ich würde der Aufgabe,ein Lebensbild des Verstorbenen zu zeichnen, nicht gerechtwerden, wenn ich mich nur auf die Wiedergabe seiner persön-lichen Eigenschaften beschränken wollte. Seine eigenenTaten sollen reden und die Zeit, in der er lebte und der ervielfach den Stempel seiner starken Persönlichkeit aufdrückte.

Sein erster Anstieg war ein buntbewegtes Leben. Privat-dozent, mit noch nicht zo Jahren ordentlicher Professor, Vor-tragender Rat im Kolonialamt, Legationsrat mit wichtigenfinanzpolitischen Verhandlungen im Ausland, Direktor deranatolischen Bahn, Direktionsmitglied der Deutschen Bank,Delegierter der deutschen Regierung bei der internationalenFinanzkonferenz zur Regelung der Balkanfragen in Paris ,dazwischen Verfasser von mehreren Büchern über Geld undWirtschaft, die schon in jungen Jahren die Augen der Weltauf ihn lenkten. Das alles bis zu seinem 42. Lebensjahre, biszum Ausbruch des Krieges. Diesem vielseitigen Entwicklungs-gange verdankte Helfferich die Grundlagen seiner umfassenden.

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