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und der größte Theil gab, ohne weiter dem Text eine Beachtung zu schenken, die verlangte Unterschrift ab. Auf einmal jedoch entstand ein Tumult: einer der weni­ger Betrunkenen hatte entdeckt, daß der so wichtige Vor­behalt fehlte, und Terzky wurde von einem entrüsteten Offizier mit scharfen Worten zur Rede gestellt. Auch die Andern mischten sich in den Streit, und es wäre vielleicht zu einem blutigen Auftritt gekommen, hätte nicht Piccolomini sich noch rechizeitig in's Mittel gelegt. Nicht mit den freundschaftlichsten Gefühlen trennte man sich.

Am folgenden Vormittag berief Wallenstein sämmt­liche Generale in sein Quartier. Er war über die Vor­gänge bet dem Bankett und namentlich den Umstand, daß man viele der Unterschriften gar nicht zu enträthseln vermochte, in hohem Grade verstimmt. Als er die Herren um sich versammelt sah, gab er ihnen den unter so verdächtigen Umständen entstandenen Revers zurück und erklärte dabei, daß er den unwiderruflichen Entschluß gefaßt habe, das Oberkommando niederzulegen. Da­mit waren die Generale entlassen. Sie folgten dem Feldmarschall Jllo, der sie zu einem Frühstück einlud. Hier wurde weiter verhandelt. Es kam dabei zu stürmi­schen Scenen, und schließlich wurde trotz vielfachen Wi­derspruchs eine Deputation an den Feldherrn mit dem Ersuchen gesandt: er möge der zweideutigen Vorgänge bei dem Gastmahl vergessen; sämmtliche Generale seien zur Genehmigung des Reverses bereit. Nach Empfang- nahme des bedeutungsvollen Aktenstückes war der Herzog zufrieden und versprach sein Verbleiben beim Heer. Nun glaubte er der Treue all' seiner Offiziere sicher zu sein und für jedes Unternehmen auf deren Unterstützung bauen zu können, selbst für den Fall, daß seine Handlungs­weise mit der Pflicht gegen Kaiser und Reich im Wider­spruch stand.

Georg war nicht in Versuchung geführt worden. Er hatte seinen Platz neben Piccolomini am äußersten Ende der Tafel angewiesen bekommen, und das Dom« ment war, ehe es seinen Kreislauf so weit zurückgelegt, in Folge des Streites durch Jllo entfernt worden. Am folgenden Tage wußte er sich von den weitem Verhand­lungen fern zu halten. Einerseits that er dies, um den verabredeten Besuch bei Marion imArmen Ritter" zu machen, anderseits aber, um nicht entweder heucheln oder einen entscheidenden Schritt wagen zu müssen, den ihm nicht nur das dem General Piccolomini gegebene Ehren­wort, sondern unter den obwaltenden Verhältnissen auch die Klugheit verbot. Er suchte die bezeichnete Herberge auf, erfuhr jedoch von dem Wirthe, daß Marion von ihrem Ausflug noch nicht zurückgekehrt war; auf den Abend, meinte dieser, treffe sie sicherlich ein. Mit diesem Bescheid begab der Hauptmann sich wieder nach Hause.

Er befand sich noch keine Stunde in seinem Quar­tier, als ein Leibjäger erschien und ihn zum Herzog befahl. Von diesem wurde er ohne Verzug in einer wichtigen und vertraulichen Angelegenheit nach Eger ge­schickt. Als er nach Verlauf von drei Tagen wieder in Pilsen eintraf, ging er sofort aus der herzoglichen Wohnung in die Herberge zum armen Ritter, aber nur um zu vernehmen, daß der indessen von der Reise zurück­gekommene Akrobat Leferrier mit seiner Nichte und deren Gefährtin vor vierundzwanzig Stunden nach Empfang einer dringenden Botschaft plötzlich abgereist sei. Wohin, vermochte ihm Niemand zu sagen. So blieben all' die Räthsel, welche seine Phantasie in letzter Zeit so sehr

in Spannung erhalten, vorerst ungelöst. Im Laufe der nächsten Tage begannen sich überdies so wichtige Ereig­nisse zu drängen, daß er zum Nachdenken über Ferner­liegendes keine Muße mehr fand.

Die Bemühungen Wallenstein's , seine Offiziere an sich zu fesseln, hielten das über ihn hereinbrechende Ver- hüngniß nicht auf. Wenige Tage nach dem denkwür­digen Bankett und der Revers-Ausstellung genehmigte der Kaiser, von den Vorgängen in Pilsen genau unter­richtet, das Absetzungs-Decret. Allen Theilnehmern an der Verschwörung, mit Ausnahme Wallenstein's und der beiden Hauptschuldigen, Jllo und Terzky, wurde Ver­zeihung gewährt und der General-Lieutenant Graf Gallas vorläufig zum Oberbefehlshaber ernannt. Vorsichtshalber wollte man diese Beschlüsse vorerst noch geheim halten, um sich vor allem der Treue des Heeres zu versichern; im Geheimen aber wurde desto eifriger gearbeitet. Gallas zog mehrere der einflußreichsten Generale, darunter auch Piccolomini , durch dessen Verwendung Georg Selkow zu einem andern Regiment versetzt wurde, an sich, und zugleich erhielten verschiedene Obersten, auf deren Zuver­lässigkeit fest gebaut wurde, die Weisung, sich vom Herzog zu trennen und nach Prag zu marschiren. Die Armee sollte nur den Generalen Aldringer , Octavio Piccolomini und Gallns gehorchen.

Diese Vorsichtsmaßregeln brachten die erhoffte Wirk­ung vollkommen hervor. Wallenstein erfuhr längere Zeit weder etwas von dem Absetzungs-Decret, noch von den Vorbereitungen zu dessen Vollzug. Dadurch gelang es den Freunden dcS Kaisers, einen Feldobersten um den andern auf ihre Seite zu bringen. Bei dem Einen wirkten Drohungen, bet dem Andern Versprechungen. Täglich wuchs der kaiserliche Anhang, und es wurde ge­fährlich, für einen Anhänger des Friedländers zu gelten. Mehrere Generale entschuldigten sich wegen der Vor­gänge in Pilsen , andere betheuerten, daran gar keinen Antheil genommen zu haben, und fast allgemein war der Wetteifer, den Befehlen der Grafen Gallas und Picco­lomini pünktlich Folge zu leisten. Die nach Prag be­orderten Regimenter setzten sich sogleich in Marsch und langten richtig an ihrem Bestimmungsort an. Nun glaubte man ohne Gefahr den Schleier lüften zu dürfen. Das Absetzungs-Decret wurde in Prag öffentlich ange­schlagen und sämmtliche Truppentheile davon in Kennt­niß gesetzt.

Der Herzog befand sich noch immer in Pilsen , als er die Kunde erhielt. Ein Rückwärtsgehen war jetzt unmöglich, das Verhältniß drängte ihn auf dem einge­schlagenen Wege weiter, der allein noch die Erreichung seiner stolzen Ziele versprach. Er beschloß, mit Waffen­gewalt sich so lange zu halten, bis er von den Schwe­den oder den Sachsen Hilfe bekäme. Zugleich erließ er einen Befehl an die gesammte kaiserliche Armee, durch welchen er unter Aufhebung aller frühern Vollmachten das General-Kommando an Jllo und Terzky verlieh.

Die Gegner hatten jedoch von vornherein all' seine Bemühungen und Schachzüge vereitelt. Gegen eine Un­terstützung Wallenstein's von Seiten der Schweden oder der Sachsen waren Vorsichtsmaßregeln getroffen, und zu gleicher Zeit verfolgte Piccolomini den Plan, den Herzog aus Böhmen zu treiben, ehe ihm Hilfe gebracht werden konnte. An dem Gelingen durfte man kaum zweifeln; denn in und um Prag stand, nur eines Winkes zum Aufbruch gewärtig, eine große, zuverlässige Armee.