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vorüber. Er gedachte der versteckten Drohungen, die Leßlie im Capucinerkloster zu LeipziS ausgestoßen, sowie der Erzählung und Warnung Magdalenens. Unwillkür­lich drängte sich ihm die Ueberzeugung auf, daß man auf das Aenßerste gefaßt sein müsse, wenn das Schick­sal Wallenstein's auch nur für Minuten in die Hand dieses Mannes gelegt war.Leßlie?" rief er (erblei­chend.Dann ist der Herzog verloren!"

Nun erzählte er in gedrängter Kürze die Vorkomm­nisse in Großmeseritsch, schilderte den glühenden Haß, von welchem Leßlie seit jener Zeit gegen den Herzog erfüllt war, wiederholte die Drohungen des Oberstwacht- meisters, sowie Magdalenens Worte.

Piccolomini wurde aufmerksam. Schweigend durch- maß er den Raum.Ich theile Deine Befürchtungen nicht", sagte er endlich, vor Georg stehen bleibend;mit seinem Einzüge in Eger ist der Herzog schon so gut wie gefangen; es bedarf keiner wettern Vorsichtsmaßregeln, dls ihn dort festzuhalten, bis die Stadt von uns besetzt ist. Dies werden Leßlie, Gordon und Butler begreifen, selbst wenn man ihnen", fügte er mit gedämpfter Stimme, halb zu sich sprechend, hinzu,für gewisse Fälle eine weiter gehende Vollmacht ertheilt hätte."

Ich bitte Euch, General", drängte Georg,gebt wir einen ausdrücklichen schriftlichen Befehl für Butler, daß Wallenstein's Leben unter allen Umständen geschont werden muß. Ich reite nach Eger , lege Euer Schrei­ben in die Hände des Obersten, dann ist für alle Mög­lichkeiten vorgesorgt."

Piccolomini besann sich.Du kannst Recht haben, Georg; unwillkommene Möglichkeiten schließt die von mir gegebene Weisung nicht aus. Ich muß vorsichtig sein; denn welche geheimen Privat-Rünke bei einem allen- fallsigen Unglück auch mitgespielt haben möchten die Welt würde den ersten Stein auf den Kaiser und mich werfen!"

Er trat an den Tisch, warf einige Zeilen auf ein Blatt Papier und gab dieses, mit seinem Siegel ver­sehen, dem Hauptmann mit der Mahnung, keine Zeit zu verlieren.

Einer solchen bedurfte es nicht. Dem jungen Mann brannte der Boden unter den Sohlen. Hoch aufathmend und mit einem dankbaren Blicke entfernte er sich.

Piccolomini schaute ihm nach.Du hast mir eine Lehre gegeben, mein Freund", murmelte er,die ich nicht außer Acht lassen darf. Deine Sendung dürfte für alle Fälle auch dem Kaiser gegenüber ein wesent­licher Beitrag zu meiner spätern Rechtfertigung sein."

Georg hatte zu seiner Ausrüstung kaum eine Vier­telstunde gebraucht. Mit verhängten Zügeln sprengte er zum Thore hinaus. Die Sonne lachte vom wolkenlosen Himmel herab, und die prächtige Witterung versetzte ihn in eine fast heitere Stimmung. Im Geiste sah er sich an der Seite seiner treuen Magdalena auf Großmese- ritsch als sorgsam waltenden Schloßhauptmann des ge­liebten Herrn. Welche Genugthuung mußte es für ihn noch in spätester Zeit sein, wenn er sich sagen konnte, du hast deinen Frevel am Herzog wieder gut gemacht. Im Fluge ging es durch Mies, wo das freundliche Schlößchen des Feldmarschalls Jllo den rastlosen Reiter zu noch gröberer Eile zu mahnen schien, nach Plan, wo er sich und dem abgehetzten Thier die nöthige Ruhe gönnte. Mit Anbruch des zweiten Tages saß er schon

wieder im Sattel und flog seinem Ziele entgegen. Auf den Abend hoffte er in Eger zu sein. Da ging sein Pferd auf einmal langsamer, und mit Schrecken ge­wahrte er, daß es zu ermatten begann. Rathlos schaute Georg um sich. Sollte er wieder nach Plan zurückkeh­ren s Dann verlor er mehrere Stunden, von denen viel­leicht das Schicksal des Herzogs abhing. Also vorwärts! Es mußte sein, es galt einen Ritt um Leben und Tod! Die Flanken des gequälten Thieres färbten sich roth unter den Sporenschlägen, und mit einem wilden Satz flog es von der Stelle, doch nur, um bald kraftlos in die Kniee zu brechen.

Georg versuchte es wieder auf die Beine zu bringen, aber umsonst. Um nicht nutzlos die kostbare Zeit zu verlieren, machte er zu Fuß sich auf den Weg. Es war ja möglich, daß er im nächsten Dorf ein frisches Roß bekam. Seine Geduld wurde jedoch auf eine harte Probe gestellt. Eine Viertelstunde um die andere ver­strich, und immer noch hatte keine menschliche Wohnung sich gezeigt. Da gewahrte er ein aus mehreren statt­lichen Gebäuden bestehendes Gehöft, das nur wenig ab­seits der Landstraße lag. Er eilte darauf zu und brachte sein Anliegen vor, sah sich aber bitter getäuscht. Die Wallenstein'schen Schaaren hatten längst dafür gesorgt, daß man auf dem flachen Lands oft im Umkreis von vielen Stunden keinen Huf mehr fand. Mit wachsen­der Unruhe und Angst eilte er fort.

Es wurde Nacht, ehe die Umrisse der ersten Häuser von Marienbad auftauchten; aber kein Lichtschein diente ihm als freundlicher Führer. Die Einwohner hatten bereits die Ruhe gesucht. Georg rüttelte einen Nacht­wächter, der an einen Pfeiler gelehnt schnarchte, aus seinem Schlafe und wurde zum Amtshause geführt. Erst nach längerem Pochen und einer noch länger» Ausein­andersetzung mit dem schlaftrunkenen Bürgermeister setzte er es mit Bitten und Drohungen durch, daß er ein Pferd bekam. Ohne zu rasten oder sich eine Erfrischung zu gönnen, schwang er sich in den Sattel und jagte in der Richtung nach Eger davon.

Dort wurde indessen fast zu gleicher Zeit bereits der letzte Act des Drama's, welches der Hauptmann ver­hindern wollte, in Scene gesetzt.

Leßlie und Gordon hatten am Morgen nach ihrer Unterredung heimlich die Thore geöffnet, wie es vorher bestimmt worden war. Mehrere Offiziere und eine größere Anzahl Soldaten des Butler'schen Regiments wurden in die Stadt eingeschmuggelt und versteckt. Der Oberstwachtmeister Geraldino befand sich an der Spitze der zum unmittelbaren Eingreifen bestimmten Abtheilung; diesem war auf sein ausdrückliches Verlangen der neu ernannte Hauptmann Donald-Defereux zugetheilt. Leßlie brachte es in der teuflischen Freude über die bevor­stehende Befriedigung seiner Rachegelüste nicht über's Herz, gegen den Neffen von seinem Plan zu schweigen, und dieser, einmal in das Geheimniß eingeweiht, war so lange in den Onkel gedrungen, bis er schließlich eine Hauptrolle erhielt.

Im Laufe des Tages bereitete man sorgfältig alles vor. Leßlie wußte, daß Wallenstein's Freunde Terzky, Zllo, Ktnsky und Neumann die Genüsse einer guten Tafel selten verschmähten, und baute darauf seinen Plan. Bei einem Mittagsmahl sollten zuerst die Generale ge­mordet und dann Wallenstein dem gleichen Schicksal ge­weiht werden. Man befand sich in der Zeit des Carne -