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Die Weiterbildung der Kant'schen Aprioritätslehre bis zur Gegenwart : ein Beitrag zur Geschichte der Erkenntnistheorie / Rudolf Eisler
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psychologische Bedeutung des Apriori ist nur sekundärerArt und tritt bei Kant völlig vor der logischen Fassung des-selben in den Hintergrund, da es ihm nicht um die psycho-logische Ableitung der Erkenntniselemente, sondern um dieUntersuchung derselben nach ihrem Erkenntniswert zu thunist.!) Jedoch ist es ersichtlich, dafs Kant die psychologischeEntstehungsweise des Apriori, da, wo er sie nicht andeutet,voraussetzt und dafs er in Bezug auf diese im wesentlichenmit Leibniz übereinstimmt; in diesem Sinne sind die aprio-rischen Formen der Anlage nach im Bewufstsein enthalten. 2 )Das »Apriori« ist als eine kurze Formel für die ursprüng-liche Gesetzmäfsigkeit und Methodik des Erkennens und dieKennzeichen ihrer Äulserung zu betrachten. 3 )

Unter synthetischen Urteilen a priori versteht also Kantdiejenigen Urteile, welche unabhängig von aller Erfahrungmit strenger Allgemeinheit und Notwendigkeit gebildetwerden, ohne blofs Begriffe zu analysieren. Hume hatte schon darauf hingewiesen, dals Erfahrung kein not-wendiges und allgemeines Wissen gäbe, und die Mathematikwelche ein solches doch unzweifelhaft enthält, für eine ana-lytische Wissenschaft erklärt, deren absolute Anwendungauf Gegenstände der Erfahrung anzuzweifeln sei. Kant schliefst sich der ersteren Behauptung an, verwirft aber dieAuffassung der mathematischen Sätze als analytische Urteile. 4 )Die Grundsätze der reinen Mathematik, sowie auch der Physiksind synthetische Urteile, welche auf die Gegenstände, anwend-bar sind und zwar aus dem einzigen Grunde, weil die Gegen-stände, auf welche sie sich beziehen, nichts anderes sindals die Formen und Gesetze des erkennenden Bewufstseinsselbst. Die Apodikticität und Apriorität der mathematischen

!) Ohne psychologische Voraussetzung ist aber das Apriori auchin seiner logischen Bedeutung haltlos. Dies gegen Cohen-

") Kr. d. r. V. S. 49 »Die Form derselben (d. Erschein.) abermufs zu ihnen insgesamt im Gemüte a priori bereit liegen, und daherabgesondert von aller Empfindung können betrachtet werden.«

3 ) Vgl. Proleg. S. 113.

') Proleg. S. 43, 48.