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Die Weiterbildung der Kant'schen Aprioritätslehre bis zur Gegenwart : ein Beitrag zur Geschichte der Erkenntnistheorie / Rudolf Eisler
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io. Arthur Schopenhauer .Die bei Kant mehrfach angedeutete psychologische Be-deutung des Apriori erfährt bei Schopenhauer eine demCharakter seiner Weltanschauung entsprechende Ausbildung. 1 )Die Welt als Vorstellung ist abhängig von den Formenunseres Intellekts. Die empirische Anschauung ist nichtiwie Kant meint, etwas völlig Gegebenes; gegeben ist nurder Empfindungskomplex, welcher erst durch die Formender Sinnlichkeit und des Verstandes zur Anschauung ge-staltet wird, indem er, in Raum und Zeit, gefafst, mittelsteines unbewufsten Schlusses auf eine äufsere Ursache alsObjekt bezogen wird. 2 ) So verficht Schopenhauer gegenKant die Intellektualität der Anschauung, die dieser leugnet;im übrigen stimmt er mit den Ausführungen Kant's inseiner transcendentalen Ästhetik völlig überein und hält siefür durchaus unumstöfslich. 3 ) Die Formen der Sinnlichkeit,Raum und Zeit, werden nicht auf dem Wege der Erfahrunggewonnen, kommen nicht von aufsen in uns hinein, sondernentspringen aus unserem Intellekte (Gehirn), ebenso wie dieEmpfindungsqualitäten aus den Nerven und Sinnesorganen. 4 )Da nach Schopenhauer das Gehirn eine Objektivation desWillens, der Intellekt aber ein Produkt desselben Willensist, so ist es erklärlich, wenn Schopenhauer im Anschlufsan den Materialisten Cabanis Raum und Zeit Funktionen desGehirns nennt. Die Formen der Sinnlichkeit existieren alsapriorische Bedingungen aller Erfahrung nur in den Köpfender erkennenden Wesen, in deren Bewufstsein bereit liegend,aller Erfahrung voran und gehen. 5 )

') W. a, W. u. V. II. S. 12. »Lockes Philosophie war dieKritik der Sinnesfunktion. Kant aber hat die Kritik der Gehirn-funkt, geliefert.«

-) Kritik der Kant. Philos. Welt a. Wille u. Vorstell. I. Berlin,Bibliogr.-A. S. 437, 443-

s ) 1. c. S. 436.

*) W. a. W. u. V. II. S. 20.

r ') W. a. W. u. V. I. S. 44. D. ö. »selbsteigene Formen desIntellektes.«