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gegeben; haben wir aber deshalb nur Erscheinungen voruns, deren Formen, wie Kant behauptet, nur Zuthaten deserkennenden Ich sind und deren wahre Existenz uns völligunbekannt bleiben mufs ? Keineswegs, antwortet Wundt . DieThatsache , dals uns die Dinge nur als Vorstellungsobjektegegeben sind, deutet auf nichts anderes hin, als dafs wirdieselben nicht unmittelbar, sondern in Gestalt von Sym-bolen haben, die sich auf sie notwendig beziehen müssen.*)Die Erkenntnis beginnt mit einzelnen Erfahrungs-begriffen und steigt zu allgemeinen oder Klassenbegriffenauf. 5 ) Von den Erfahrungsbegriffen im allgemeinen Sinneunterscheidet Wundt die reinen Erfahrungsbegriffe. Mitden Kant'schen Kategorien aber haben diese Verstandes-begriffe fast nichts gemein. Die Kategorien sind Formendes Denkens, die dem Bewuistsein ursprünglich gegebensind und die in Verbindung mit dem Vorstellungsstoffe Er-fahrung zu Stande kommen lassen, indem sie zu allen ein-zelnen Erfahrungen notwendig hinzugedacht werden. Hin-gegen sind für Wundt die Verstandesbegriffe nicht Gebilde,welche ihrem Wesen nach völlig verschieden sind von denErfahrungsbegriffen. 3 ) Der Ausdruck »reine Verstandes-begriffe« will nur besagen, dafs sich in dieser Art von Be-griffen (die wiederum in formale und reale Verstandesbegriffezerfallen) die allgemeinen Denkgesetze, also das Bewufstseinin seiner Thätigkeit selbst, unmittelbar bekunden. InWirklichkeit sind also auch diese Begriffe Produkte der Er-fahrung in dem Sinne, dafs stets bestimmte Erfahrungen
J ) i. c. s. 153.
-) Logik I. 2. A. S. 423: »Alle objektive Erkenntnis ist stetsein Resultat der Bearbeitung unmittelbar gegebener Thatsachen desBewufstseins durch das Denken.«
3 ) 1. c. S. 239: »Die reinen Verstandesbegriffe sind demnach nichtFormen, die apriori in uns liegen, bereit, jeden beliebigen Erfahrungs-begriff zu umfassen, sondern sie sind die letzten Stufen jener logischenVerarbeitung des Wahrnehmungsinhaltes, welche mit den empirischenEinzelbegriffen beginnt.«