Zweites Kapitel. Universitätszeit und juristischer Beruf.

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Zweites Kapitel.

AnwerMtszeit und juristischer Lernt'.

Gießen , Heidelberg , Göttingen , Mainz .

Da kein besonderer Grund für das Studium der Medizin vorlag, wurde ich zum Juristen bestimmt. Zum Studieren schien ich veranlagt, uud so blieb kaum eine andere Wahl. Das Barreau, wie man damals in Mainz sagte, nämlich nach französischem Gerichtsgebrauch die Korporation der Anwälte, war aus der alten Zeit her noch mit einem gewissen Nimbus umgeben. Die Hessendarmstädter mußten, um später zum Staatsexamen zu­gelassen zn werden, zwei Jahre auf der Landes-Universität Gießen verbringen; vom letzten dieser vier Semester wurde ich nach einer milden Praxis entbunden. Aber vom Sommer 1842 an studierte ich drei Semester in Gießen .

Es war damals ein abscheuliches Nest, von aller Kultur unberührt, obwohl Liebig auf einer kleinen Anhöhe, wo sein Laboratorium staud, eiueu kosmopolitischen Zufluchtsort für seine Schüler aus allen Ländern und Weltteilen gestiftet hatte. Der Stndent, d. h. der Korpsbursche, herrschte uuumschränkt; der Philister" war sein bäurischer Knecht. Burschenschaften oder andere freie Verbindungen gab es nicht. Daß wir paar Juristen, meine nächsten Freunde und ich, nicht ins Korps der Rhenanen eintraten, war an sich schon eine Abnormität. Deuu der Zustaud desKamels" war doch eigentlich nur für die armen Teufel, meistens Theologen, protestantische und katholische. Auch von ersteren waren manche in den Korps. Die Mitglieder derselben waren harmloser und anspruchsloser als jetzt, ohne jenen Anflug von Aristokratie uud besonders von Leutnants-Aspiration, die ihnen in späterer Zeit, zugleich bei geringerer Zahl, charakteristisch geworden ist. Auch gehörte die Verachtung des Arbeitens noch nicht zur Vornehmheit, wenn schon natürlich viel Zeit aus dem Fecht-