Diese Vorfahren besaßen eine Antwort auf die bange Frage,die uns zermürbt, nach dem Woher? und dem Wozu? desMenschendaseins. Sie verliehen dem menschlichen Leben einenSinn, indem sie den Menschen aus der Natur heraushoben undsein Dasein mit übernatürlichem — „metaphysischem" —Wertinhalt füllten. Woher der Mensch? Geschaffen nachGottes Ebenbild! Wozu der Mensch? Bestimmt zur Gottes-kindschaft und zum Gottesreich! Sie deuteten das Rätsel,das sich uns aufzwingt — ob wir auch unklug es ablehnen —durch Gott. Gott ? Ist dieses Wort nicht verhallt? Sind dieVorfahren, die es in Ehrfurcht gebrauchten, nicht endgültigbegraben, ohne Hoffnung auf Auferstehung? Und mit ihnender alte Gott? Ist damit nicht der Niedergang des Abendlandesbesiegelt, dessen Lebensnerv jener Glaube gewesen war? SeinSchicksal scheint die Verwesung oder die Versteinerung desTodes, da kein organisches Gebilde seinem innersten Wesenauf die Dauer untreu werden kann.
Reden wir nicht zu Menschen, die, durch den Zeitgeist ent-wurzelt, nicht ehrlicherweise mehr den Vorfahren „Gott "nachsprechen können? Wie viele unserer Zeitgenossen läßtdieses Wort völlig unberührt! Die Mehrzahl unserer Unter-nehmer wie Arbeiter, unserer Studenten wie Gelehrten sindgott -los, nicht im Sinne eines Tadels, sondern als Feststellungeiner Tatsache. Gott -los sind die Wortführer des abklingendenZeitalters — ein Nietzsche, ein Spengler; gott -los ist die zurWeltanschauung gesteigerte Naturwissenschaft, gleichviel obAtomistik des neunzehnten oder Biologismus des zwanzig-sten Jahrhunderts: beides Naturalismus, der durch Natur-erkenntnis den Sinn und Zweck des Menschendaseins demhandelnden und fühlenden Menschen zu deuten unternimmt.
Dem entspricht der schwindende Einfluß der Kirchen. Fürwie wenige, die sich kirchlich taufen, trauen, beerdigen lassen,ist Gott die Tatsache der Tatsachen! Insbesondere hat derProtestantismus den wirtschaftlichen und politischen Alltagnicht mehr erreicht. Die Mehrzahl der sich evangelisch nen-nenden Christen lebt im eigengesetzlichen Schicksalsraum ohne
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