domestizierten Tieres zur Eingliederung in die menschliche Ge-sellschaft „gebrochen" werden muß (to brake a horse). Auchdas kleine Kind wird durch Schläge oder Tadel des Gewalt-habers, ebenso unterjochte Ureinwohner durch die Peitsche desFronvogtes in die Sozialordnung gezwungen. Damit wird Angstdas Urgebrechen, Furcht die Ursünde. Je härter der Zwang,um so näher die Gefahr der Empörung. Erst wo es gelingt, dasTriebleben zu freiwilligem Gehorsam zu bringen und dasSozialgebilde mit Wertvorstellungen zu füllen, entsteht dasReich der Kultur als ein Ganzes zu bejahender Gebote,zu erfüllender Aufgaben, welchen göttliche Weihe zu-teil wird. Kultur auf ihren Höhepunkten ist Opfer-bereitschaft für die Idee, ist Heldentum, das Vor-bildern folgt und zum Vorbild wird.
Wo es nicht gelingt, das Triebleben in Freiheit zur sozialenAuswirkung zu bringen, ergeben sich Triebhemmungen,welche das Unterbewußtsein entgleisen lassen. Die körperlicheAnbrüchigkeit unserer Tage hat nicht zuletzt ihre Ursache inungelösten Triebhemmungen, in dem verhängnisvollen Nein,mit dem das Unterbewußtsein sich gegen die Gesetze des eige-nen Lebens wie des sozialen Ganzen empört. Solche Empörungknickt und verkrampft das Seelenleben, dessen Unordnung indie Welt des Bewußtseins verschieden ausstrahlt, je nach demTemperament: bald in Angst- und Minderwertigkeitsgefühl,bald in Haß und Habsucht, bald in Schwarzseherei und Ent-schlußlosigkeit. Solche seelische Entgleisung zermürbt den Kör-per und entläd sich in Krankheit und Schmerz, in vorzeitigemSiechtum und qualvollem Tod. Es zersetzt das soziale Ganzedurch das Scheidewasser des Nein.
Dabei ist dem Empörer ein Rückfall in die Natur unmöglich,da die Kultur die Bedingungen des tierhaften Lebens zerstörthat. Sie hat den Daseinskampf und damit die natürliche Aus-lese weithin außer Wirkung gesetzt. Sie hat die Instinkte ab-geschwächt, verbogen und verderbt. Der sog. Kulturmenschsucht nicht mehr instinktiv wie das Tier die ihm zuträglicheNahrung; er hört zu essen nicht auf, wenn er genug hat; er be-
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