der Herrlichkeiten der Schöpfung. Aufrechte Haltung, wie sie dem greisenGoethe nachgerühmt wurde, ist ein Beleg der Selbstbeherrschung und desSelbstvertrauens. Ein gehaltenes und gepflegtes Äußere ist ein Gebot derSelbstachtung und ein Mittel zur Führerschaft!
Aug in Aug mit dem Gesprächspartner oder Verhandlungs-gegner. Ist doch das Auge das Fenster der Seele. Kein Hängebauch! KeineSalzfässer! Kein Steifnacken! Keine Kopfhängerei! Keine X-Beine! KeinePlattfüße! Keine Schlapplippen! In Ruhepausen völlige Entspan-nung aller Muskeln — in der Art des ruhenden Tieres.
Niemals unbeherrschte Eile bei sicherer Zeitdisposition. Jemehr zu tun ist, um so gehaltener und ruhiger gehe man an das eine; erstwenn dies erledigt ist, an das andere. Ein vornehmer Mensch kennt keineHast, wogegen die Großstadt den Menschen zum Sklaven eines tollenMechanismus entwürdigt, der ihn peitscht und hetzt — mit so viel Leerlaufwie das Holzpferd im Karussell!
IV. Licht und Wasser
Badekultur als Mittel der Körperertüchtigung ist ein Erbstück dergriechisch-römischen Vorzeit. Schon Homer rühmt als Vorrecht desHelden „den großen feuerduldenden Dreifuß", d. h. den Bronzekessel, derzum Bad durch untergelegte Holzscheite erhitzt wurde; er war so wertvoll,daß Achill ihn dem Sieger als Preis des Wettspiels setzte, wogegen der Be-siegte sich mit dem blühenden Weibe als Trostpreis begnügen mußte.„Gymnasium" war ein Platz, auf dem nackt geturnt wurde; wie weit istdieses Wort von seiner ursprünglichen Bedeutung abgeirrt! Thermen alsStiftungen gemeinnütziger Mitbürger übertrafen mit ihren Badehallen,Sportplätzen, Säulengängen, unter denen die Philosophen im Luftbad lehr-ten, in ihrer Pracht und Größe sogar die Tempelanlagen der Großstädte.Für den Christen war die Taufe, d. h. das Untertauchen und Wieder-auftauchen des Täuflings im fließenden Wasser, ein Symbol für Tod undAuferstehung.
Gegen Ausgang des Mittelalters, das sich der bürgerlichen und bäuer-lichen Badestuben erfreut hatte, ging die Badegewohnheit verloren. Königs-sitze, wie Versailles, Windsor, Sanssouci , waren ohne Badeeinrichtung, wo-gegen Napoleon , auch darin Revolutionär, in Malmaison ein Badezimmerbesaß. Die Waschschüsseln jener Tage waren winzige Näpfchen; derWasser-verbrauch war geringst. Töchter und Mägde hatten das kostbare Naß ausdem Brunnen heraufzuwinden und oft über weite Entfernungen in Krügenherbeizuschleppen. Im 18. Jahrhundert breitete sich in England , wie mansagt, von Indien her die Badesitte wieder aus. Als unsere deutschen Groß-väter anfingen, Badebedürfnis zu empfinden, haben findige Unternehmerihnen die Badewanne nebst Heißwasserkesseln auf Lastwagen angefahren;selbst König Wilhelm I. bediente sich im königlichen Schloß solchen „Por-tativbades".
Erst die Technik des Eisen- und Stahlrohrs ermöglichte den stei-genden Wasser- und Seifenverbrauch, der ein Gradmesser der Kulturhöhe
156