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Zur Wiedergeburt des Abendlandes / von Gerhard von Schulze-Gaevernitz
Entstehung
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wurde. Während noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Annäherung andie Großstadt sich dem Reisenden durch den pestilenzialischen Gestankihrer Unratberge verriet, ermöglichte das Wasserrohr die Sanitierungder bis dahin menschenmörderischen Städte und damit die Zusammen-ballung größerer Menschenmassen in Industrieorten. Es wurde so die Vor-aussetzung einer ansässigen und gelernten Arbeiterschaft. Von hier aus wares ein weiter Weg zu den Grünflächen, den Sportplätzen, den Eigenheimender neuzeitlichen Gartenstadt mit ihren besten Geschenken: Licht, Luft,Wasser.

Das Eigenheim, wie es heute jeder bessere Arbeiter anstrebt und mor-gen haben wird, besitzt eine Zentralheizung mit Warmwasserberei-ter, fließendes Kalt- und Warmwasser, nebst einem Baderaum. Unbe-grenzte Wasserzufuhr, weiträumige Fenster, Sonnenlage der Wohn- undvor allem der Schlafzimmer bilden heute die Voraussetzung für die Wer-tung eines zeitgemäßen Hauses Vorzüge, deren dereinst die Königeentbehrten.

Der Lebensreformer wertet das Bad nicht nur als Mittel der Reini-gung, sondern ebenso der Lockerung und Entschlackung des Körpers undzur Aufnahme kosmischer Kräfte der Luft-, Licht- und Wasserwelt. Sau-berkeit moralisches Gebot Sinnbild der Wiedergeburt!

Voran steht das Luftbad des unbekleideten Körpers, am schönsten infreier Natur in abgeschiedenem Waldwinkel oder am Meeresstrande. Diemeisten Städte besitzen heute öffentliche Luftbäder. Kein Lebenserneuerer,der nicht wenigstens täglich beim Aufstehen mit Übungen dasLuftbad verbände, nützlicherweise vor dem Spiegel zur Erweckung desKörperbewußtseins! Im Luftbade soll man sich bewegen, um nicht zufrösteln. Erfreulich sind gemeinsame Bewegungsspiele. Das Luftbad solltedes Winters im gewärmten Raum vor sich gehen. Wärme ist Leben!

Gesteigertes Luftbad ist das herrliche Sonnenbad, das Lebensfreudespendet und dem Himmel näher bringt. Hier gilt es ruhen, entspannen, ein-saugen der Urkraft nicht reden! Vorsicht: der Anfänger sollte nichtlänger als 10 Minuten sich der prallen Sonne aussetzen; der sonnenge-bräunte Naturfreund kann den Genuß beliebig ausdehnen, den er mit einernicht zu kalten Abwaschung beendet am besten mit sonnendurchwärm-tem Lauwasser.

Wie die Pflanze verwelkt, die der Luft und des Lichtes beraubt ist, sosiecht der Mensch als Stubenhocker, der die Zugluft fürchtet und die Fen-ster schließt und verdunkelt. Der Kranke sollte im Freien wohl bedeckt liegen.

Von allen Wasserbädern steht das Schwimmbad voran, das zur Tief-atmung zwingt und, wie keine andere Übung, den Körper allseitig in Tätig-keit setzt. Welchen Genuß bietet die Landschaft dem Schwimmer! Um nie-mals nach dem Baden dem Gefühl der Kälte zu erliegen, sollte ein Dauer-lauf folgen. Der Lebenserneuerer wertet Regen- und Gewitterbäder, auchdas Sturzbad unter dem Wasserfall bei sommerlicher Wanderung. Unseregermanischen Vorfahren badeten im Winter, indem sie Löcher in das Eishackten.

Das Warmwasserbad, das der Japaner zu einer dem Europäer un-erträglichen Hitze steigert, dient der Lockerung und Ausscheidung von

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