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G. v. Schulz e-G a evernitz, Die deutsche Kreditbank.
II
Zweiter Teil.
Bankgeschäfte.
I. Das „reguläre" Geschäft.
III. Kapitel.
Das passive Bankgeschäft: »Fremde Gelder«.
A. Fremde Gelder — Depositen.
Hinsichtlich der einzelnen Bankgeschäfte gehen wir von der juristischen Form aus und bedienen uns der begrifflichen Vorarbeit der Rechtswissenschaft, ohne jedoch bei ihr stehen zu bleiben; wir unterscheiden z.B. juristischen und wirtschaftlichen Begriff des Wechsels, des Reportgeschäfts usw.
Das Geschäft, aus welchem sich alles Bankwesen entwickelt hat, ist das Aufbewahrungsgeschäft — zunächst das eigentliche Aufbewahrungsgeschäft der Goldschmiede an Pretiosen. Ihm folgt das dem Darlehen nahe verwandte uneigentliche Aufbewahrungsgeschäft, bei dem aufbewahrtes Edelmetall nur in genere zurückerstattet werden muß. Das Bankgeschäft entsteht dort, wo der Vertrag zwischen Aufbewahrer und Einleger dem ersteren die freie Verfügung über die Einlagen, also auch ihre Verwendung zur Kreditgewährung, gegen jederzeitige oder kurz kündbare Rückziehbarkeit gewährt: „Depositum irreguläre". BGB. 700. Das Bankgeschäft entwickelt sich um so reiner, je mehr die „fremden Gelder" zum eigentlichen Betriebsfond werden, wogegen das Eigenkapital in die Rolle der Reserve zurücktritt. Diese Entwicklung zeigt sich im deutschen Kreditbankwesen: Das Verhältnis von „fremden Geldern" zum Eigenkapital — Anfang der siebziger Jahre noch 3 zu 4 — hat sich heute auf 4:1 verschoben. Die Gesamtsumme der „fremden Gelder" dürfte bei den deutschen Kreditbanken heute auf mehr als 12 Milliarden Mk. zu schätzen sein 1 ).
Der Vergleich deutscher Ziffern mit den noch erheblich höheren „fremden Geldern" der englischen Depositenbanken ist irreführend, schon wegen Buchungs- verschiedejiheiten. In England bucht man Kreditdepositen als „fremde Gelder", nicht so in Deutschland. Hierzu kommt das in England bestehende „Einbeckensystem", dem Deutschland das „Mehrbeckensystem" gegenüberstellt. England läßt die „fremden Gelder", aus welcher Quelle sie auch stammen mögen, weit überwiegend bei den Depositenbanken zusammenfließen; Deutschland leitet die Einlagen je nach ihrer Herkunft bald in die Kreditbanken, bald in die Sparkassen oder in die Kreditgenossenschaften. Immerhin ist die stärkere Depositenkraft der englischen Banken auch heute noch Tatsache. Besteht doch in Deutschland ein bankmäßiger Einlageverkehr größeren Stiles eigentlich erst seit der Entwicklung des
Vgl. Rieß er, Die deutschen Großbanken. 4. Autlage. Jena 1912. S. 175. J a f f d', Das englische Bankwesen. 2. Auflage. Leipzig 1910. S. 195, 355. Glauert, Depositenbildung in England und Deutschland (Jahrb. f. Nat.-Oekon. und Statistik. III. Folge, Bd. 7, S. 803, 819, 821).