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Die deutsche Kreditbank / von Gerhart von Schulze-Gaevernitz
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G. v. Schulz e-Gaevernitz, Die deutsche Kreditbank.

III

dem die Mittagshöhe des deutschen Welttages als ferne, aber nicht unerreichbare Aufgabe gesetzt ist!

X. Kapitel.

Die Auslandsanlage 1 ).

A. Privatwirtschaftliche Erwägungen

a) des Bankkunden. Damit unsere Banken die ihnen zuströmenden Kapitalien in das ausländische Anlagegebiet hinüberleiten, bedarf es bestimmter privat­wirtschaftlicher Voraussetzungen auf Seiten der Kund­schaft. An der Spitze steht das Bedürfnis nach höherer Verzinsung, als sie die inländische Anlage mit wachsendem Kapitalreichtum und sinkendem Landes­zinsfuß aufweist. So sind es besonders Zeiten der Depression, wie die achtziger Jahre, in denen über die Grenzen der heimischen Volkswirtschaft hinaus nach aus­ländischen Anlagegebieten die Blicke sich richten. Hierzu kam in jenen Tagen die Verstaatlichung der Eisenbahnen, welche zahlreiche, an höhere Verzinsung ge­wöhnte Anlagen freisetzte. So wurden nach Schmoller 188292dem deutschen Kapitalmarkte an inländischen Werten 7,7 Milliarden Mk., dagegen an auslän­dischen 4,28 Milliarden Mk. zugeführt. Je höhere Verzinsung wieder der heimische Kapitalmarkt bietet, etwa in Zeiten industrieller Hochkonjunktur, um so mehr flaut das Bedürfnis nach ausländischer Anlage ab; z. B. war in den Jahren 1886 bis 1890 das Verhältnis der deutschen Inlandsanlagen zu den Auslandsanlagen 2:1, dagegen 1906 bis 1910 9 :1 2 ).

Zürn Anlagebedürfnis aber tritt, gerade bei ausländischen Wertpapieren, das Spielbedürfnis. Die Auslandsanlage mit ihren fernen, unbekannten, oft unerschlos- senen Arbeitsgebieten und den Unsicherheiten der exotischen Politik weist Kurs­schwankungen auf, die in den altgefestigten Verhältnissen des Inlands ungewöhnlich sind. Gerade das in der menschlichen Natur unausrottbare Spielbedürfnis kommt der kolonialen Welt zugute, wie ein C. Rhodes , ein Dernburg wußten. Das Spiel­bedürfnis des Publikums wurde durch das deutsche Börsengesetz von 1896 in beson­derem Maße auf das Ausland hingewiesen, indem das an den deutschen Börsen alteingesessene Termingeschäft aufhörte, die ausländischen Spielwerte dagegen an ausländischen Börsen nach wie vor auf Termin gehandelt wurden. Das Termin­geschäft aber gerade weil es die spekulativen Gefahren abmildert kommt dem Spielbedürfnis mehr entgegen als das Kassageschäft, auf welches das Börsenspiel an den heimischen Börsen zurückgedrängt wurde.

b) der Banken. Wo in der Kundschaft das Bedürfnis nach ausländischen Werten erwacht ist, bedienen sich seiner die Banken, ja, sie steigern es unter Um­ständen bewußt, wie z. B. die französischen Banken den Sparer ihres Landes zur Auslandsanlage geradezu erzogen. Die Banken erstreben dabei in erster Linie Emis­sionsgewinne, welche gegenüber dem kapitalarmen, rohstoffreichen Auslande höher zu sein pflegen als im Inlande. Je schwächer der Schuldner, um so mehr wird an ihm verdient aber auch riskiert. Hierzu kommen die sehr erheblichen Depot­gebühren, welche für die Aufbewahrung der ausländischen Effekten den Auslands­filialen oder Tochterinstituten unserer Banken gezahlt werden. Da bei uns Effekten, die man über die Grenze einführt, einen hohen Effektenstempel zu zahlen haben, so ist ausländischer Lagerort die Regel. Am 31. Dezember 1902 wurde über eine Milliarde Mk. ausländischer Effektendepots unserer Kreditbanken festgestellt 3 ). Nicht zu unterschätzen sind aber auch die dauernden Beziehungen, welche das

1 )U. a. Sartorius von Waltershausen, Das volkswirtschaftliche System der Kapitalanlage im Ausland. Berlin 1907.

2 ) Helfferich, Bankarchiv v. 15. April 1911.

3 ) Rieß er, Großbanken. 3. Auflage. Jena 1910. S. 395.