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die Verpflichtung des Staatsdienstes auf und gab ihm dafürdie Herrschaft über die Bauern. Dies bezeichnet einen be-sonders tiefen Gegensatz zwischen dem westlichen und öst-lichen Merkantilismus. Auf dem Schlachtfelde von Tewkes-bury 1471 rief Eduard IV. , ein typischer Vertreter der west-europäischen Monarchie: „schonet das Volk und tötet dieHerren" — in Rufsland führte Peter d. Gr. die Leibeigen-schaft einen starken Schritt vorwärts, und ihren Höhepunkterreichte diese Institution erst unter der erleuchteten Katharina II .Damals fiel die Grenze, welche die Leibeigenschaft von derSklaverei scheidet: auch ohne Land wurden Menschen ver-kauft, vertauscht, vermacht und verpfändet — neben Hundenund Papageien in den Zeitungen Zofen und Kammerdienerausgeboten, auf den Märkten der Städte die gewöhnlicherenExemplare der Menschenware an den Meistbietenden ver-steigert 1 . 1771 mufste Katharina verbieten, bei Zwangsver-steigerung von Landgütern die Bauern gesondert vom Landeunter den Hammer zu bringen. Erst 1808 wurde der Verkaufvon Menschen auf öffentlichen Märkten verboten.
Der preufsische Merkantilismus des vorigen Jahrhunderts,bisher meist vom Westen gesehen, sollte auch vom Ostenher beleuchtet werden. In der That ist er ein Mitteldingzwischen Westeuropa und Rufsland; das erstere ist er dem„wollen" nach, das letztere in vielen Fällen ist sein „voll-bringen".
Das Finanzsystem Brandenburg-Preufsens hat gegenüberdem Rufslands einen westeuropäischen Zug: die Accise alseine den Städten auferlegte Verbrauchssteuer. Ihre Bedeutungbeweist, dafs die preufsischen Könige wenigstens schwacheReste eines steuerfähigen Bürgertums in ihrem Staate vor-fanden.
Aber dieselben waren finanziell nicht stark genug, um dasHeerwesen auf ihnen ausschliefslich aufzubauen, womit das
1 Vergl. Semjewski, Die Bauern unter der Regierung Katha-ri nas II. Petersburg 1881. Bd. I, S. 145—157. Vergl. ferner TranseheRoseneck, Gutsherr und Bauer in Livland. Strafsburg 1890,S. 198, 199.