Königtum unabhängig von den Junkern gewesen wäre. Ost-europäisch ist der notgedrungene Kompromiß? mit dem Adel,auf welchem der preufsische Staat des vorigen Jahrhundertsberuhte. „Das fürstliche Klassenbewufstsein" der preufsischenKönige war westeuropäisch und führte zu fortgesetztenProtesten gegen die Leibeigenschaft. So hat bekanntlichFriedrich der Grofse — ähnlich schon sein Vater — 176bdekretiert: es sollen absolut und ohne das geringsteRaisonnierenalle Leibeigenschaften von Stund an abgeschafft sein! Abernoch im preufsischen Landrecht 1794 besteht, wenn auch unteranderem Namen, die Leibeigenschaft fort; ja zu dem Para-graphen, welcher die Leibeigenschaft im Sinne der Sklavereiverbietet, machten die Stände der Uckermark, Neumark undder Kreise Beeskow und Storkow damals noch die Bemerkung :jener Paragraph würde geltendes Recht ändern 1 . „Der König warmehr als halb besiegt" — dieses Wort Knapps bezeichnet denfruchtlosen Kampf der preufsischen Könige gegen die Leibeigen-schaft überhaupt. Was die preufsischen Könige erfolglos be-kämpften, haben die grofsen Zaren des vorigen Jahrhunderts— Peter und Katharina — bewufst geschaffen. Der Grundwar in beiden Fällen der gleiche: man brauchte den Adel alsOffizier und Beamten und hatte nicht das Geld, seine Dienstezu bezahlen. Man zahlte mit Menschen.
Osteuropäisch im Preufsen des vorigen Jahrhunderts warjene schulmeisterliche Stellung des Staates zum Unterthanen,wie sie auch in Rufsland sich wiederfindet.
„In England ", sagt Brentano 2 , „war die Staatsgewalt in ihrenwirtschaftlichen Mafsnahmen meist nur das Organ der Wirtschafts-interessenten selbst. Diese waren es, von denen die Initiativeausging. Sie regten an, schlugen vor, die Staatsgewalt prüfteund verordnete. In Schlesien war es die Staatsgewalt, welche
1 Knapp, Die Landarbeiter in Knechtschaft und Freiheit. Leipzig 1891. Derselbe, Die Bauernbefreiung und der Ursprung der Land-arbeiter. Leipzig, 1887, I. S. 120.
2 Vei'gl. Brentano, Zeitschr. für Social- und WirtschaftsgeschichteBd. I. S. 338, 339. II. 348 ff.
v. Sckulze-Gaevernitz, Studien a. Rufsl. 2