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einen Sachverständigen ab; aber erst in den letzten Jahrzehntenunseres Jahrhunderts hat diese Industrie Aufschwung genommen 1 .
Ähnlich sagt Brückner, einer der besten Kenner der Zeitund Geschichte Peters: „Peters Schüler und Gesinnungs-genosse Possoschkow hoffte, die Glasindustrie werde einensolchen Aufschwung nehmen, dafs Rufsland alle Länder mitGlaswaren werde versorgen können. Einem solchen Optimismusentsprach die einzige, nur eine unbedeutende Produktion auf-weisende Glasfabrik keineswegs."
Fassen wir unser Urteil zusammen: Soweit von russischerIndustrie im vorigen Jahrhundert überhaupt die Rede seinkann, ist dieselbe vorwiegend bäuerlicher Hausfleifs,zum Teil Überschufsverkauf der geschlossenen Hauswirtschaftdurch Hausier- und Mefshandel, zum Teil bereits kapitalistischorganisiert im sog. Verlagssystem. Auf beiden Wegen wirdder heimische und volkstümliche Verbrauch aufgesucht. Demgegenüber produziert die „Fabrik", technisch Manufaktur, vor-wiegend für die Bedürfnisse des Heeres, des Hofes, des Adels, inKonkurrenz mit ausländischer Einfuhr, seltener in Konkurrenzmit dem bäuerlichen Gewerbe der Heimat. AVo eine Kon-kurrenz mit letzterem zu Tage tritt, hören wir Klagen derFabrikanten, und behält der bäuerliche Hausfleifs gewöhnlichdie Oberhand. 2 Erklärlich genug: die Technik ist in beidenLagern die gleiche, aber der Bauer kann zu niederstenPreisen verkaufen, da er seinen Lebensunterhalt naturalwirt-schaftlich auf den Ackerbau gründet.
Im russischen Gewerbe herrscht bis in die Mitte unseresJahrhunderts völliger Stillstand der Technik. Diesist der Grund dafür, dafs die frühere gewerbliche Ausfuhrz. B. von Leinengeweben nach Europa, von Tuchen nachChina, verloren ging. Noch zu Beginn unseres Jahrhundertswurde ein Drittel des gesamten Erzeugnisses an Leinen undSegeltuch ausgeführt, nicht unbeträchtliche Mengen sogar nachAmerika 8 . In gleicher Weise bestand zu Beginn des Jahr-
1 Vergl. Stieda, Peter der Grofse als Merkantilist. Russ. RevueBd. IV S. 206, 215.
2 S. Tugan-Baranowski a. a. 0. S. 52.