schädigte man nach Brückner oft mehr, als man nützte. InEngland , sagt John Perry, ein sachkundiger Zeitgenosse Peters,sporne man die Industriellen und Kaufleute zur Thätig-keit an, in Rufsland dagegen lähme die Brutalität und Raub-sucht der Verwaltung alle Betriebsamkeit; wahrer Reichtumkönne hier nicht gedeihen. „Die Geschichtsquellen", fügtBrückner hinzu, „berichten von zahlreichen Fällen derärgsten Mifshandlung von Kaufleuten durch Beamte. Vieleverloren Leben und Eigentum; manche wurden zu Tode ge-martert." Nach demselben Schriftsteller pflegten Industrielleund Kaufleute ihren Wohlstand zu verbergen, um denPlackereien der Beamten zu entgehen 1 .
Lehrreich ist die Geschichte von J. Ssolowjeff, einemGrofskaufmann zur Zeit Peters d. Gr. Angeklagt der ver-botenen Kornausfuhr aus Rufsland wurde er gefoltert, wobeiihm Arme und Beine gebrochen wurden, und 1 Million Rubelwurde ihm konfisziert. Später erkannte der Zar seine Un-schuld an und bat ihn um Verzeihung, ohne jedoch die Millionzurückzugeben. Im Gegensatz zu Frankreich , wo Colbertausdrücklich den Adel zur Beteiligung an industriellen Unter-nehmungen aufforderte, im Gegensatz zu England , wo die Grund-aristokratie und die City geradezu verschmolzen, galten in Rufs-land Handelsgeschäfte als unehrenhaft für den Adel, welchervielmehr in Beamtenstellungen auf dem einfacheren Wege derErpressung sich die kaufmännischen Reichtümer aneignete 2 .
Ein Spiegelbild der Verhältnisse ist die volkswirtschaft-liche Litteratur. Die westeuropäische Litteratur des Merkanti-
' Ähnlich Moltke, Briefe über Zustände und Begebenheiten inder Türkei. Berlin 1876. S. 49. „Die Bedingung alles Reichtums isthier, dafs man ihn flüchten könne. Der Bajah wird lieber ein Ge-schmeide für 100000 Piaster kaufen, als eine Fabrik, eine Mühle, einVorwerk anlegen. — Die Juwelen, welche in reichen Familien selbstKinder von wenig Jahren tragen, sind ein glänzender Beweis fürdie Armut des Landes."
2 Vergl. Brückner, Possoschkoff S. 248, 281, 299, 801. Brückner,Peter der Grofse S. 518 ff.; derselbe, Raumers historisches Taschen-buch 1877 über „Russische Geldfürsten" S. 6.