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sie hofften nicht nur auf dem Wege des freien Arbeitsver-trages sich eine leistungsfähigere Arbeit schaffen zu können,sondern auch der Verpflichtung ledig zu werden, jene Possessions-bauern zu beschäftigen, was die Einführung arbeitsparen-der Maschinen hinderte — eine Wirkung des „Rechtes aufArbeit."
Nicht minder dem technischen Fortschritt feindlich wirktedie Unfreiheit der Fabrikanten gegenüber dem Staat. Bei denPossessionsfabriken erforderte jede Veränderung der Pro-duktion die Genehmigung der Oberbehörde. Aber die Aktendurchwanderten damals äufserst langsam die riesigen Ent-fernungen des Reichs, den büreaukratischen Aufbau der Be-hörden. Jahre vergingen, bis Erlaubnis oder Verbot der Er-neuerung zurückkam. Auch diese Zustände waren nur mög-lich, so lange die Industrie lediglich der naturalwirtschaftlichenBedürfnisbefriedigung des Fiskus diente. —
Dafs der osteuropäische Merkantilismus nichtim stände war, durch staatlichen Zwang dieNaturalwirtschaft zu überwinden, darauf beruhtin letzter Linie sein Mifserfolg. Hierauf beruht es ferner,dafs in Preufsen wie in Rufsland der Merkantilismus erstin der Gegenwart eine Renaissance feiern sollte — zu einerZeit, da auch in Mittel- und Osteuropa die inneren Bedingungenfür Massenhandel und Geldwirtschaft auftauchten.
Welches waren diese Bedingungen für Rufsland? DenAnstois zum wirtschaftlichen Fortschritt gab seit den ersten Jahr-zehnten unseres Jahrhunderts der steigende Verkehr. Danebenwar es abermals die Notwendigkeit, der militärischen Technikdes Westens ein Pari zu bieten. Selten hat ein Krieg so sehr alsKulturträger gewirkt, wie der Krimkrieg; denn er machte dieEisenbahnen zur strategischen Notwendigkeit, gegen welchesich die konservative Regierung des Kaisers Nicolaus langegesträubt hatte, weil sie „die Unbeständigkeit des Geistesunserer Epoche" vergröfserten. (Worte Kankrins.) Die Nachbar-schaft des technisch fortgeschrittenen Westens und militärisch-auswärtige Gesichtspunkte zwangen abermals und zwingen heuteden Staat zur Beschleunigung des wirtschaftlichen Fortschritts