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Volk bestimmten Waren. Der befreite Bauer kleidete sichbesser und in lichteren Farben 1 .
Im Jahre 1895 habe ich in einem grofsen Dorfe desGouvernements Woronesch den Inhalt des Dorfladens ge-mustert, um einen Einblick in die gegenwärtigen Verbrauchs-verhältnisse des Bauern zu gewinnen. Bei weitem überwogendie Produkte der Baumwollindustrie. Begierig greift dasSchmuckbedürfnis der Frau zu den leuchtenden Farben desKattundruckes, welcher die unansehnlicheren Produkte deseigenen Hausfleifses verdrängt. Maschinengarn wurde feilge-halten für die Nähtereien und die oft reichen und künstlichenStickereien der Frauen. Auch den Männern bot der Ladenein Erzeugnis der Baumwollfabrik; geradezu typisch für dieBauern ist in vielen Gegenden Kufslands heute das roteKattunhemd. Da in den Bauernstuben gewöhnlich eine aufser-ordentlich hohe Temperatur herrscht, so können sich beideGeschlechter im Hause auch während des Winters in Baum-wolle kleiden.
Neben der Baumwolle spielte in dem besuchten Ladendas Erdöl die zweite Rolle, ebenfalls ein Produkt der jüngstenkapitalistischen Wirtschaftsentwicklung. Aufserdem fand ichzahlreiche eiserne Kleinwaren: die Räder werden jetzt meistmit eisernem Reife, die Pflugschar mit eisernem Rande ver-sehen. Daneben sah ich eiserne Beile, eiserne Töpfe, Nägelu. s. w. Zwar nicht in dem betreffenden Laden, jedoch inder Gegend sah ich eiserne Pflüge, meist deutschen Ur-sprungs, welche teils von Handlungsreisenden siidrussischerEinfuhrhäuser, teils von den Beamten der Landschaft unterder bäuerlichen Bevölkerung verbreitet werden.
Alles dies deutet auf eine Zunahme der geldwirtschaft-lichen Gewohnheiten des Volkes. Damit ist die Möglichkeitgegeben, vom Mefshandel zum ansässigen Handel überzugehen.Dies ist bereits der Fall in dem dichter besiedelten Klein-
1 Scherer, Die Baumwollindustrie, in der offiziellen Ausgabe„Uberblick über die verschiedenen Zweige der Industrie Rufslands".St. Petersburg 1863, Band II, S. 522. Auch Lumley a. a. 0. S. 99.
v. Schulze-Gaevernitz, Studien a. Rufsl. 5