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sich freigekauft hatten, ihre bisherigen Fabriken dem Grund-herrn abmieten — daher der Auszug vieler Fabrikanten unddie Gründung des Vorortes Wosnessensk , dessen Boden einembenachbarten Gutsherrn abgekauft wurde.
Wo die Entwicklung so verlief, war der Gutsherr nurRentenempfänger, nicht Glied im Produktionsnexus. Miteinem Federstrich konnte ihn gelegentlich der Bauernbefreiungder Gesetzgeber wegstreichen, und übrig blieb der bisherunfreie Bauer als selbständiger Träger des Gewerbes —hausindustrieller Verlegei;, Manufakturist oder modernerFabrikant.
Die mittelrussische Textilindustrie erwuchs also bäuer-lichem Boden. Vorbereitet wurde dieses äufserst unzugäng-liche Erdreich durch die Sekten. Gerade Iwanowo war einMittelpunkt der Sektiererei, ehe es Mittelpunkt der Industriewurde. Es wird erzählt, dafs selbst grofse Fabrikanten derälteren Generation jedes Geschäft im Stiche liefsen, um jenenWortgefechten beizuwohnen, wie sie in Rufsland zwischen denVertretern der Staatskirche und den Altgläubigen in Streit-fragen meist ritueller Natur abgehalten werden. Erst in denzwanziger Jahren wurden die Zeichen äufserer Duldung, einFriedhof und eine Kapelle, erreicht. Seitdem verlor dieKetzerei an Schärfe und starb allmählich in dem Mafse ab,als die Fabrikantensöhne anfingen, nach Moskau und selbstnach England zu gehen, und die grofse Welt kennen lernten;freilich büfsten sie dabei nicht selten das Rückgrat ihrerVäter ein 1 .
Die Bedeutung der Sektiererei für die Industrieentwick-lung ist nicht gering anzuschlagen, wofür die Quäker das be-kannteste Beispiel abgeben. Zwar mochte der Raskol dentechnischen Fortschritt zeitweise verlangsamt haben, indemseine Anhänger alles Ausländische als Teufelswerk flohen;aber auf der anderen Seite besafsen diese Sektierer eineSchule für die Entwicklung der Individualität, welche die
1 Vergl. Industriebote, Januar 1860, S. 247 ff.