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III. Die Färberei in Jwanowo.
Die kapitalistische Entwicklung der Wladimirschen In-dustrie wurde dadurch aufserordentlich beschleunigt, dafs manin Wladimir schon frühe neben dem selbsterzeugten Leinen-garn auch importiertes Baumwollgarn verwandte. Damitwurde der bäuerliche Hausfleifs, in seinem Absatz bereitskapitalistisch zusammengefafst, auch von seilen des Rohstoffesher abhängig vom Handel. Er geriet sozusagen zwischen zweiMühlsteine, die ihn zerrieben. Endlich griff der Handel er-obernd auch auf das Gebiet der Produktion über: er be-mächtigte sich nicht nur des Absatzes der Waren und derZufuhr des Rohstoffes, sondern er bröckelte auch von vornund hinten am Produktionsprozesse selbst ab. Der bäuerlicheHausfleifs verlor Spinnerei und Färberei, welche zum modernenFabriksystem übergingen.
In England war es die Spinnerei, welche zuerst die Formdes Grofsbetriebes annahm. Auf russischem Boden schlugdie Spinnerei erst spät Wurzeln, um dann freilich, wie wirsehen werden, das Gebiet des gesamten Gewerbes zu be-herrschen. Bis in die Mitte unseres Jahrhunderts dagegenberuhte die russische Baum Wollindustrie auf der Einfuhrfremden Garnes. Wie in England erwies sich auch in Wladimirzunächst die altgeübte Hand der orientalischen Spinnerin dengröberen Fingern des Europäers überlegen. Die einheimischeKette aus festem Leinengarn pflegte man mit dem feinenorientalischen Baumwollgespinst zu durchschiefsen, wie dies wohldie ältere Form aller europäischen Baumwollgewebe überhauptwar. Seit Beginn des Jahrhunderts vertrieb das Produkt derenglischen Spinnmaschinen die orientalischen Garne von denUfern der Wolga ; die Kontinentalsperre hatte demgegenüberwenig Wirkung; das englische Garn wurde in Massen ge-schmuggelt und genofs als „Brabanter Garn" sogar die dembefreundeten Frankreich gemachten Zollvergünstigungen 1 .
1 Garelin a. a. 0. I 183, 185, 186.