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Volkswirtschaftliche Studien aus Rußland / von Gerhart v. Schulze-Gävernitz
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Bedarf Rufsland also in solchen Tagen der finanzpolitischenStütze von ganz Europa , so gilt dies auch in Tagen der Ruhehinsichtlich des künftigen Kapitalbedürfnisses. Denn Rufslandist mit dem bisher erlangten Kredit bei weitem nicht be-friedigt man denke nur an die riesenhaften Bahnbauten,welche die nächste Zukunft erheischt.

Rufsland suchte vor kurzem auf englischem Markte Ab-satz für neue Anleihen. Von mancher Seite wurde selbstdem Abrüstungsvorschlage Rufslands diese Nebenabsicht unter-geschoben. Augenscheinlich ist der Erfolg dieses Versucheskein grofser gewesen, weil eben die City als Wächterinder englischen Nationalinteressen auch in diesem Falle sichbewährte. Aber selbst, wenn ein wiederholter Versuchbesseren Erfolg haben sollte, so liegen doch russische Werteauf englischem Markte erfahrungsgemäfs wenig fest undkönnen auf politischen Anstofs hin leicht in Bewegung ge-raten h

Nach wie vor bleibt Rufsland auf den Pariser, denBerliner und den im Gefolge beider stehenden AmsterdamerGeldmarkt angewiesen, welche zur Zeit lediglich durch Geld-knappheit, nicht durch politische Gründe verschlossen sind.Falls diese Geldknappheit sich als dauernd erweisen sollte, sokönnte Rufsland durch Zugeständnis eines etwas höherenZinses sich diese Märkte wieder öffnen.

Auf den französischen Markt insbesondere kann Rufslandauch in Zukunft mit genügender Sicherheit rechnen. Anfangder 90er Jahre begründeten noch politische Hoffnungen be-kannter Art die Gier, mit der Prankreich russische Werteaufsog. Allmählich entschleierte Rufsland die Unmöglichkeit,sich für die gehofften Zwecke gebrauchen zu lassen 2 . Frank-reich hatte damals aber bereits zu viel der russischen Werte

1 Diese politischen Hindernisse auf englischem Markte beklagt dasMemorandum Witte's an das Ministerkomitee vom 26. April 1899.

2 Vergl. u. a. die offiziöseÖkonomische Rundschau" Juni 1898,S. 138, 148, September 1898, S. 120; ferner auch das bekannte Buchvon Bloch, Der Krieg, passim.