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Volkswirtschaftliche Studien aus Rußland / von Gerhart v. Schulze-Gävernitz
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rungen dieser unserer Kultur, welche gewifs vollste persönlicheFreiheit bedeuten, allerdings neben kräftiger Bindung unterden nationalen Gesamtzweck.

Solange dieses alles der Fall ist, wird für viele von unsdie zeitlich fortgeschrittenere Kultur Englands als die inner-lich überlegene gelten.

Demgegenüber ist das Gefühl der Interessengemeinschaft,der Wunsch einer Verständigung mit Rufsland für denDeutschen möglich, ohne die Gefahr, sich selbst zu verlieren.Er kann dieses Gefühl verbinden mit einer aufrichtigenSympathie fürjene wunderbare Odyssee des grofsrussischenStammes", wie Leroy-Beaulieu die russische Geschichte ge-nannt hat. Er wird nicht vergessen, dafs gewisse Ein-richtungen Rufslands, welche dem Europäer ein Anstofs sind,z. B. die Unfreiheit der Presse, auch in Indien bestehen, aberdort nicht zu Zwecken des nationalen Staates. Das blofseDasein des russischen Weltreichs ist ihm eine Widerlegungder Lehre von dereinen, alles verzehrenden Rasse". Einenähere Bekanntschaft mit der russischen Litteratur zeigt demDeutschen zugleich die innigste Berührung mit der heimischenGeistesentwicklung.

Neben diesen mehr allgemeinen Gründen lassen sich eineReihe wirtschaftlicher Gesichtspunkte geltend machen,welche uns bestimmen sollten, die gewaltige Entwicklung desneuzeitigen Rufslands nicht als eine gegnerische zu be-trachten.

Alljährlich geht ein ansehnlicher Betrag deutscher Intelli-genz und Arbeit für uns verloren, indem die angelsächsischeRasse die deutsche Auswanderung mit unglaublicher Schnelleaufsaugt. Anders die Deutschen in Rufsland. Zwar habensie vor und seit Katharina, der grofsen Tochter Deutsch-lands , einen hervorragenden Anteil gehabt an der politischen,wie wirtschaftlichen Entfaltung Rufslands. Man gedenke derdeutschen Kolonisten und Gutsverwalter auf dem Lande, derIndustrie gründenden Thätigkeit der Moskauer Kolonie u. s. w.Nationalgesinnte, aber ruhig denkende Russen erkennen diesenNutzen der deutschen Einwanderer rückhaltlos an, so z. B.