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die Petersburger Nachrichten des Fürsten Uchtomski, welche mitRecht den chauvinistischen Angstmachern zurufen: was bedeutetdieser Tropfen in dem slavischen Meere?
Dennoch gehen diese Auswanderer für Deutschland nichtvöllig verloren. Das ist selbstverständlich auf einem Boden,wo noch heute Religion gleich Nationalität ist. ErgebeneUnterthanen des Zaren, behalten sie deutsche Arbeits- undLebensgewohnheiten bei. Da sie die wirtschaftlichen Lehr-meister der Russen sind, besonders in landwirtschaftlicherTechnik, so führt dies zu einer Erleichterung für Deutsch-lands Einfuhr gegenüber dem anglo-amerikanischen Mitbewerbauf russischem Boden.
Der russische Landwirt weifs, dafs der Deutsche derbeste Abnehmer der landwirtschaftlichen Ausfuhr Rufslandsist. Der Bauer sagt halb mifstrauisch halb bewunderndangesichts der Ernte, welche er in Jahren des Mifswachsesauf den Feldern des Deutschen reifen sieht: „ein listigerDeutscher, selbst vom lieben Gott erzwingt er die Ernte".Aber willig lernen sie vom Deutschen. Gerade darum warPeter der Grofse ein wahrer russischer Zar, weil er dieseFähigkeit seines Volkes erkannte und den Staatsinteressendienstbar machte b
In der gleichen Richtung wirken in Rufsland zu unsernGunsten gewisse andere Verhältnisse. Dem Handwerk undder Hausindustrie, welche im russischen Gewerbeleben nochheute eine so grofse Rolle spielen, steht Deutschland immer-hin näher als die auf Maschine und hochqualificierter Arbeitberuhende Industrie Englands und Amerikas . In der russi-schen, wie der deutschen Landwirtschaft überwiegt der Klein-betrieb gegenüber dem gröfseren, arbeitsparenden, kapital-anwendenden Farmerbetrieb der genannten Konkurrenten.Infolge hiervon kann der Russe mit deutschen Werkzeugenvielfach besser arbeiten. So erklärt z. B. der Bericht desenglischen Konsuls aus Odessa die englischen Maschinen für
1 Ähnlich Fürst Obolenski in seinem trefflichen Aufsatze,St. Petersburger Nachrichten Nr. 194 und 206 des Jahres 1898.
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