VIll
Blicken wir aber ferner auf die Büchermessen von Frankfurt und Leipzig , als die Mittelpunkte eines großartig und eigenthümlichgestalteten literarischen Verkehrs'^), so mag es fast Wunder nehmen,daß nicht schon in sehr früher Zeit diese literarischen Stapelorte in derHerausgabe von Meßverzeichnissen Organe zur Vermittelung ihrerbedeutsamen Wirksamkeit sich geschaffen haben. Es wird aber ange-messen sein, dieses Erstaunen zu unterdrücken und mit dem Heraus-geber der <?ollootio in unum eorpus von 159Ä in der Vorredezum 3. Theile die dort angeführte Sentenz sich zu vergegenwärtigen:NiKil roruin ip8A, naturs, voluit maAnuni Ksri eito, oder die ewigwiederkehrende Fabel von dem Ei des Columbus sich ins Gedächtnißzurückzurufen. Liefert nicht die späte Erfindung der Buchdruckerkunstselbst eine große Variante dazu und ist es nicht noch vielen unserer
Geschäftsgenossen in lebhafter Erinnerung, wie allwöchentlich Ein Malein schlichtes Blättchen von Kassel nach Leipzig wanderte, um vondort als das journalistische Organ des deutschen Buchhandels in Deutsch-land verbreitet zu werden!
Also erst spät erhielten die Büchermeßplätze Deutschlands ihreliterarischen Waarenverzeichnisse: Frankfurt mit der Herbstmesse desJahres 1564 und Leipzig genau dreißig Jahre später mit demMichaelis-Markte des Jahres 1594. In dem Nachstehenden folgteine'Geschichte der verschiedenen Kataloge"), zugleich mit der An-gabe, was an einzelnen Exemplaren derselben in den namhaftestendeutschen Bibliotheken noch vorhanden.
Seit dem Herbste 1564 bis zum Jahre 1749 sind diese Ka-taloge erschienen und zwar (mit Ausnahme der Jahre 1566 und1567 s. unten Note 15) zweimal im Jahre, zuerst in der Fasten-meß (später Ostermeß und zuletzt Frühlingsmeß, lateinisch nunäinavvernales, selten auch yuaärsKküzimaleg auf den Katalogtiteln genannt)und dann in der Herbstmeß (nunäinas autumnales). Nachdem
IS) Welche Bedeutung der Frankfurter Messe und dem dort erscheinenden Meß-Kataloge beigelegt wurde, gehl u. a. aus dem Erlasse Kaiser Rudolph II.vom 4S. März 4S08 hervor. Auch das Frankfurter Stadt-Ar.üv liefert da-zu u. a. folgende Belege aus der Abtheilung „Bücher-Inspektion":
sud «ixn. »I. Maximilian, Pfaltzgraf bei Rhein , Hcrtzog zu Obernvnd Nidcrn-Bayern :c. an den Rath zu Franks. 6. S. München , d. 10.Septbr. I6l9.: „Vnnsern grues zuuor, Fürsichtige, Ersam, Weis, besondre„liebe, Wür werden berichtet, das in vorigen Vniuersal tÄtlialoAuin Jnli-„gcnder Titl, Khayser LudwigenS cleksnsio» betreffcnt, so gar auf beschehe-„neS ersuchen, von dem Buchtruckher, nit gesetzt werden wollen; Demnach„aber so wol VnnS, als hirigen Buchtruckher daran gelegen, auch sonnst„fast alle anndere Bücher, sie sein beschaffen wie sie wollen, in bcrierten„ l?-ttI>aI0K»in kommen: Alls ist Bnnser gesinncn an Euch, Jr wollet bei„Eucrn Buchtruckher, die gewisse verfiegung thuen, das bcrierten oxeris„völliger Titel, yezt beuorstcnhendcm Latlialoso Voinerssli einverleibt„werde"; -c.
sul, SiKn. Ludwig, Fürst zu Anhalt begehrt 6. ck. Cölhcn d. s.März 4V20 mit Bezug auf einen beiliegenden Druckbogen: „Qidri sck vi-SÄ,ctivsm conkoi-mÄti (von RatichiuS ) er eotlienis ^nl>altinor»m impressi.^nno ZUvexiX et XX." von dem Rath zu Franks.: „ihr wollet künftige„Mitlfasten-Messe den beygefügten vatsIoKum in der Buchgassen zu icder-„ mans Nachricht >>u!,Iice atti^ire» lassen, auch sonsten bey allen vndl ieden„ Buchhändlern vnd Truckern, so sich bei euch »schalten oder vff die gewöhnliche„Messe vnd Märckte vnd sonsten in euere Stadt handeln, die gewisse Verfü-gung vnd verschaffung thun, das ohne Vnseren sonderbahren Nachlaß sich„keiner vntcrstehe angedeutete Bücher nachzudrucken oder die so nachgedrückt„feill zu haben vnd zuuerkauffen vnd sich also mcnniglich für schaden vnd„vngelegenheitt hüten vnd vorsehen möge. Wie ihr den, fall sich hierinnen„iemandcs wiederwertig erzeigen würde, solche Bücher eonliscire» vnd VnS„dasselbe berichten könnett." -c.
(Darunter steht folgende Bemerkung: „I^eetum in Senat» 28. »lsrth1620 vnd aecretiit, daß man mit rahr der Hrn. ^uvocate» hierin verfahrenvnd Jhro Fr. Gn. bcantworttcn lassen soll.")
8»d «!,>». 0. Maximilian, Pfalzgraf bci Rhein und Herzog vonOber - und Nieder-Bayern begehrt nochmals «I. ä, München l7. März 1«21,daß der Titel des Buches Ludwig IV . Sekeiisus dem eatlialoxo universal!einverleibt und ohne sein Vorwissen nicht nachgedruckt werde.
Von dem lebhaften geschäftlichen und literarischen Treiben in den Offi-cinen der Buchhändler zur Meßzeit (s. darüber u. a, den in Note 2 angeführ-ten Aufsatz von O. A. Schulze S. 248) giebt eine Stelle in einem anderenAktenstücke des Frankfurter Archives sub »ix». X. ein anschauliches Bild. DerFrankfurter Buchhändler Thom. Matth. Goetze, aufgefordert, eine Er-klärung über seine Wissenschaft von einem zum Meß-Kataloge eingeliefertenBücherlitel abzugeben, schreibt d. 16. October 1K47, daß, als jener Titelihm von einem fremden Buchhandlungsdiencr vorgezeigt, er letzteren kurzwcgzum Katalogdrucker damit verwiesen, „weil es in voller meß vndt fast zuend derselben, dabey den Buchhändlern am meisten zu thun gibt, habe ich«S (den Inhalt des Titels) nicht geachtet, zumahl vndt vmb so wenig, weilsonst vndt vorab in solcher Zeit, in meinem vndt andern Buchläden, vonfrembdcn vndt allerley Personen, baldt Dieses bald Jenes auch von großerFürsten vndt Herrcnsachc vndt «oripti» geredet wird."
dem ersten, von einem Privaten begründeten Kataloge mehrere eben-falls von Privatpersonen beliebig veranstaltete hinzugetreten waren,ließ der Rath der Stadt Frankfurt vom Jahre 1598 an Einen of-siciellen Katalog erscheinen, welcher vom Jahre 1618 an unter Kai-serlichem Privilegium ausgegeben wurde. Neben diesem amtlichenVerzeichnisse erscheinen noch einige Zeit (bis gegen 1630) privatimveranstaltete Kataloge, welche als größere Meß-Verzeichnisse geltenkönnen, bald aber werden dieselben nur Register eines von einzelnenBuchhandlungen ausgewählten Sortiments.
Hinsichtlich der äußeren und inneren Anordnung der Frankfurter Meß-Kataloge ist im Allgemeinen zu bemerken:
Format: Das Format sämmtlicher mir bekannt gewordenerMeß-Kataloge ist das Quart-Format, mit Ausnahme Eines Willer-schen Fastenmeß-Katalogs von 16S7 in Duodez.
Anordnung hinsichtlich der verzeichneten Bücher:Sämmtliche mir bekannte Meß-Kataloge sind nach Wissenschaften ab-getheilt und nach lateinischer und deutscher, vom Jahre 1568 anauch nach neueren ausländischen Sprachen geschieden. Die wissen-schaftliche Eintheilung ist im Wesentlichen bci den verschiedenen Meß-Katalogen übereinstimmend. Unter den Büchern der lateinischenSprache sind auch die orientalischen und griechischen Werke verzeich-net. In den einzelnen wissenschaftlichen Abtheilungen findet einealphabetische Reihenfolge der Bücher nicht statt. Die Büchertitel sindhäufig abgekürzt.
Die Format-Angabe findet sich bei den einzelnen Büchernfortwährend; es würde aber eine außer allem Verhältniß schwierigeArbeit gewesen sein, hätten wir in unseren Jahresübersichten auchdie Angabe des Formates aufnehmen wollen.
Verlagsort und Verleger finden sich sehr bald (s. unsernText) fast durchgängig angegeben.
Bücher-Preise kommen in den Frankfurter Meß-Katalogengar nicht vor.
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen folgt die Beschreibungder einzelnen Katalog-Reihen.
44) Die Geschichte der Meß-Kataloge ist namentlich eine bisher sehr vernachläs-sigte Partie in den Fragmenten über die Geschichte des Buchhandels. Die inverschiedenen Büchern darüber enthaltenen Angaben sind äußerst mangelhaftund unrichtig, so u.a. in Beckmann'S Beiträgen zur Geschichte derErfindungen. Ir Bd. Leipzig, 478«. S. 28S —300, in Metz' Gesch. desBuchhandels. 3S Buch. S. «2 fg., in Schmidt'S Handbuch der Biblio-thekswissenschaft, der Literatur - und Büchcrkunde. Weimar 4840. S. 424.,in Prutz ' Geschichte des deutschen Journalismus, lr Th. Hannover 1845,S. 175 fgg., in Kirchner'S Gesch. d Stadt Frankfurt . 2 Theile. 4807 u,48ll>, in Heinr. Meidinger'S Frankfurts gemeinnützige Anstalten. Frank-furt , I84S und in encyklopädischen Werken, wie dem Conversationslericon.