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KEINE LÖSUNG
nunmehr auf den Finanzminister Miquel. Der Kaiser protestierte beinahestürmisch. Er habe jedes Vertrauen zu ihm verloren, Bismarck habe dieMenschen oft ungerecht beurteilt, aber wenn er mit Bezug auf Miquel vonder bei diesem fehlenden pupillarischen Sicherheit gesprochen habe, so hätteer damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich schlug den Staatssekretärdes Innern, Graf Posadowsky, vor. Der Kaiser meinte, Posadowsky verstünde auch nichts von der auswärtigen PoUtik. Er wäre ebensosehrBürokrat wie Botho Eulenburg, nur mit weniger guten Formen und ohne dieelegante Erscheinung des ostpreußischen Grafen. Auch von dem damaligenBotschafter in Rom , dem Grafen Karl Wedel, wollte der Kaiser im Jahre1900 ebensowenig hören wie neun Jahre später bei meinem Rücktritt.Er warf diesem ausgezeichneten und charaktervollen Mann „ostfriesischenEigensinn und Rechthaberei" vor und meinte, ein Zusammengehen mit ihmwürde nicht lange dauern. In letzter Linie nannte ich als proximus, sedlongo intervallo den Statthalter von Elsaß-Lothringen, den Fürsten Her-mann von Hohenlohe-Langenburg. Der Kaiser schnitt auch diese Kan-didatur mit den Worten ab, daß ihn der Vetter des Statthalters, der Reichs-kanzler Fürst Chlodwig Hohenlohe, dringend gewarnt habe, den FürstenHermann zum Reichskanzler zu machen. Als er Onkel Chlodwig seine Ver-wunderung darüber ausgesprochen hätte, daß er seinen Vetter nicht gernan erster Stelle sähe, habe der alte Herr erwidert: „Gerade weil er meinVetter ist, will und kann ich ihn nicht als Reichskanzler empfehlen, denn erwürde nicht nur sich selbst, sondern unser ganzes Haus blamieren." OnkelChlodwig hätte seinen Vetter Hermann Langenburg mit den Wortencharakterisiert: „Nur als Fassade zu gebrauchen." Statthalter in Straßburg möge er bleiben, aber dem Amt des Reichskanzlers wäre er wirklich nichtgewachsen. Wenn ich heute an jene Unterredung mit Wilhelm II. zurück-denke, so finde ich, daß sowohl der Kaiser als ich selbst die meisten der vor-genannten Kandidaten zu streng beurteilten. Professor Einstein hat recht,daß alles relativ ist. Verglichen mit den meisten der Kanzler, die wir seitdem Umsturz erlebt haben, waren Botho Eulenburg und Miquel, KarlWedel und Posadowsky wahre Halbgötter. Damals war man anspruchs-voller.
Die Unterredung zwischen Seiner Majestät und mir führte zu keinembestimmten Ergebnis. Der Kaiser war nur darin völlig mit mir einver-standen, daß dem Fürsten Chlodwig Hohenlohe sein Bleiben in jeder Weiseerleichtert werden müsse. Am nächsten Tag wurde ein Spaziergang am Uferdes nahe gelegenenen Werbellin-Sees unternommen. An diesem großen,einst an Muränen reichen See hatte in grauer Vorzeit das Schloß Grimnitzgestanden, wo Markgraf Waldemar seinen bei ihm in Ungnade gefallenenKanzler Nikolaus von Buch in den Kerker werfen und verhungern ließ.