Druckschrift 
1 (1930) Vom Staatssekretariat bis zur Marokkokrise
Entstehung
Einzelbild herunterladen
 
  

mit Deiner Auffassung von seinen letzten Zielen und den Mitteln, mit denen er sieerreichen wollte. Aber gegen eine Klage, die Du in Deinem Brief äußerst, muß ichenergisch Einspruch erheben! Er soll die Herzen von uns drei ältesten Kindern denEltern entfremdet haben. Was die beiden andern für sich dagegen sagen können,weiß ich nicht, aber für mich kann ich nur ganz einfach, aber fest und mit reinemGewissen, antworten:Nein!" Er hat niemals gewagt, und ich hätte ihm auchniemals gestattet, in meiner Gegenwart über Dich oder den lieben Papa Bemer-kungen zu machen! Aber wenn Du damit die Möglichkeit andeuten willst, ichhätte helfen sollen, den damals allmächtigen Kanzler in den Tagen von PapasRegierung zu stürzen, so gestehe ich ganz offen, daß ich ganz und gar dagegenwar, und aus einem sehr guten Grunde. Großpapas Tod hatte das Land so ent-setzlich verwirrt und verstört gemacht, daß es ganz von Sinnen war, ja beinahehysterisch. In dieser Stimmung blickte das Volk nicht auf uns als die einzigen Uber-mittler und Bewahrer der alten Tradition das war ein schwerer Fehler, und es warseine hinterlistigste Tataber es war eine Tatsache! Hätte Papa und ich mit ihmBismarck fortgeschickt, so wäre gegen ihn und gegen Dich ein solcher Sturm los-gebrochen, daß wir einfach machtlos gewesen wären, ihn auszuhalten, und überdes armen Papas letzte Tage Bitternis gekommen wäre, daß Papas glänzendes,unauslöschliches Bild in den Augen des Volks verdorben worden wäre, ja daß DeinBleiben in Deutschland vielleicht gefährdet, vielleicht unmöglich geworden wäre.Für den Augenblick war Bismarck Herr der Situation und des Reiches! Und dasHaus der Hohenzollern war so gut wie gar nichts! Hätten wir auch nur versucht,an ihn zu rühren, so hätten sich alle deutschen Fürsten ich wurde heimlichdavon in Kenntnis gesetzt wie ein Mann erhoben und hätten uns gezwungen,den Kanzler wiederzuholen, dem wir und besonders später ich auf Gnade undUngnade ausgeliefert gewesen wäre! Die Lage war einfach unmöglich. Von diesemAugenblick verstand ich die furchtbare Aufgabe, die Du damals nicht sahst, dieder Himmel mir gestellt hatte: die Aufgabe, die Krone zu retten vor dem über-wältigenden Schatten ihres Ministers, die Person des Monarchen erst einmal anseinen" Platz zu bringen, die Ehre und die Zukunft unseres Hauses zu rettenvor dem verderblichen Einfluß des Mannes, der uns unseres Volkes Herz gestohlenhatte, und ihn büßen zu lassen, was er an Papa, an Dir und selbst an Großpapagefrevelt hatte! Schrecklich genug für einen jungen Mann von dreißig Jahren!Seine Regierung damit anfangen zu müssen, nachdem eine so glorreiche erst ebenvorüber war! Ich aber fühlte, was meine Pflicht war, und Gott sei gedankt, Erhalf mir. Ohne ihn war ich verloren. Als der Kampf sich erhitzte und Bismarckseine verwegensten Ränke gegen mich anfing, wobei er nicht einmal vor Hoch-verrat zurückschreckte, ließ ich ihm sagen: Mir schiene, er wolle die Hohenzollern niederreiten zu Gunsten seiner eigenen Familie; sei das der Fall, so wolle ich ihnwarnen, denn der Versuch sei vergeblich, und er würde der verlierende Teil sein.Die Antwort war, wie ich sie erwartet hatte. Und ich warf ihn nieder und streckteihn in den Sand zur Rettung meiner Krone und unseres Hauses! Seit jenenschrecklichen Jahren mußte ich den Sturm von Deutschlands Gefühlen übermich ergehen lassen und die niedrigsten Ränke des aufgeregten WüterichsBismarck! Dasselbe hätten der arme Papa und Du sonst aushalten müssen! Ich