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DER HELD VON PLEWNA
Das Ende von Gortschakow erinnerte an den ein Jahr vorher erfolgtenSkobelevos Tod des Generals Michail Dimitrije witsch Skobelew. Der Besieger der Teke-T°d Turkmenen, der Eroberer von Chiwa und Kokan, der Held von Geoktepe,Lowatz und Plewna starb in einem Moskauer Bordell. Sinnlos betrunken,hatte er sich in einer masochistischen Anwandlung an einen Türpfostenanbinden lassen und den Bewohnerinnen des Hauses befohlen, ihn, unbe-kümmert um sein etwaiges Protestieren und Schreien, bis aufs Blut zupeitschen. Als die Dirnen, des Flagellierens müde, die Geißelung einstellten,hatte ein Herzschlag dem Leben des noch nicht vierzigjährigen Generalsein Ende gemacht. Der Leiter der „Moskauer Zeitung“, Michail Nikoforo-witsch Katkow , der Hauptvertreter eines reaktionären, absolutistischen undstreng nationalen Systems, wurde gerufen und sorgte für die unauffälligeÜberführung der Leiche des seit Suwarow populärsten russischen Generalsin die auf der Höhe des Kremls gelegene Erlöserkirche, deren goldene Gitterund deren Gold- und Silbergefäße in ganz Rußland berühmt waren. Auchwer von Prüderie und Pharisäertum frei war, mußte sich gegenüber demAusgang des alten Gortschakow und des jungen Skobelew, des Staats-mannes und des Feldherm, sagen, daß die elegante, ja raffinierte und glän-zende Außenseite des vornehmen Russentums viel Roheit und sehr vielFäulnis zudeckte. Die sofort in französischen Zeitungen auftauchende Be-hauptung, daß Skobelew das Opfer einer finsteren deutschen Intrige gewor-den sei, war natürlich eine sinnlose Erfindung, die dem elendesten Hinter-treppenroman zur Unehre gereicht hätte. Der Tod von Skobelew wurde beiuns keineswegs freudig begrüßt. Es gab in der russischen Armee ebenso gute,ja bessere Generäle als ihn. Wohl aber dürfte der russische Hof nach demHinscheiden Skobelews erleichtert aufgeatmet haben. Es wurde behauptet,daß Skobelew nicht übel Lust gehabt habe, die Rolle des russischen Bona-parte zu spielen. Zu einer hübschen französischen Gouvernante, der er denHof machte, hatte er gesagt: „Vous serez ma Josephine.“
Ich war gerade noch rechtzeitig in St. Petersburg eingetroffen, um vomBülows Botschafter von Schweinitz, der am nächsten Tage nach Deutschland Antritt abreiste, die Geschäfte zu übernehmen. Als ich ihn aufsuchte, traf ich beials Geschäfts- ^m den Reichssekretär Pol owzow. Dieser hohe Beamte war ein echtträger j.yggjgß^gj. Typus. Ein neuer Beweis für die Richtigkeit der bekanntenÄußerung des Marquis Adolphe Custine, des Freundes von Rahel und Yarn-hagen, der in seinem Buch über Rußland schon vor achtzig Jahren derMeinung Ausdruck gab, que la facilite de faire sa carriere preservait laRussie des Tsars d’une revolution generale. Polowzow stammte aus beschei-denen Verhältnissen und hatte das wenige Geld, das er besaß, als kleinerTschinownik verspielt. Der Russe liebt leidenschaftlich das Kartenspiel. Sogut wie ruiniert, nahm Polowzow seine letzten Rubel in die Hand, kleidete