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III. Abschnitt.
Die Bedeutung der Aprioritätslchre für diemoderne Erkenntnistheorie.
Kant's Vernunftkritik ist bekanntlich das Produkt einerlangen geistigen Entwicklung des Philosophen und es istdaher begreiflich, dafs das Werk verschiedenartige Elementein sich enthält. Ausgegangen von dem Bestreben, die Schul-metaphysik, die in dem Zeitalter der Aufklärung immermehr verflacht und an Ansehen gesunken war, völlig alseine Scheinwissenschaft zu enthüllen, war Kant, wie er selbstin der Einleitung zu den »Prolegomena « erwähnt, durch denEinflufs Hume's zu seinem kritischen Unternehmen ange-spornt worden. In der Ausführung desselben' ist Kant be-müht voraussetzungslos vorzugehen, ähnlich wie es Descartesin seinen »meditationes« versucht. Aber eine völlige Voraus-setzungslosigkeit ist für jeden Philosophen, für jeden Denkerüberhaupt weiter nichts als eine Selbsttäuschung, die sichoft schwer rächt. Für jeden Philosophen wirken bei derBegründung eines Systemes eine Menge von Faktoren mit,die sich auf keine Weise eliminieren lassen.
Wir dürfen nicht vergessen, dafs Kant nicht nur Philo-soph, sondern auch mit der Naturwissenschaft sehr vertrautwar. Der Beschäftigung mit den Naturwissenschaften hatKant es in erster Linie zu verdanken, dafs er als Philosophin einer Zeit, da der Ontologismus im höchsten Schwüngewar, seinen nüchternen Sinn, mit dem er die Thatsachenbetrachtet und zergliedert, bewahrt hat. Die Neigung, dieErfahrung als den Ausgangspunkt der Erkenntnis anzusehen,die aus Kant's naturwissenschaftlicher Thätigkeit sich ent-wickeln mufste, befestigte sich durch seine Bekanntschaftmit dem englischen Empirismus. Kant war aber nicht nur