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Karl Helfferich zum Gedächtnis : [Reden am Sarge in Mannheim am 30. April 1924]
Entstehung
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war das Gefühl: Endlich wieder ein Mann in dieser ZeitderSchatten und Schemen! Es kamen die Reichstagswahlen desJahres 1920. Fast jeder deutschnationale Wahlkreis botHelfferich das Spitzenmandat an, drei Wahlkreise entsandtenihn in den Deutschen Reichstag. Er entschied sich für Hessen-Nassau, weil dieser Wahlkreis der größte war und deshalb ammeisten Arbeit von ihm verlangte. Es kam unser MünchenerParteitag. Helfferich führte seine junge Gattin in unserenKreis. Seitdem lernten wir den Menschen Helfferich kennenund lieben. Wer je in seinem Hause war, wer ihn mit seinemSohn zusammen sah, wer das strahlende Leuchten in seinenAugen erblickte, wenn er von seinem Jungen sprach, demwurden diese Stunden zum Erlebnis, der verehrte in Helfferichnicht mehr allein den Führer, der liebte in ihm den Menschen.Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, daß Tausende ausunseren Reihen für diesen Mann, der den anderen nur als derkalte Rechner erschien, freudig in den Feuertod gegangenwären, den ein unerforschliches Schicksal ihm bestimmt hatte.

Ich denke dann an jene Stunden in Hamburg vor wenigWochen, als Helfferich zum letztenmal, aus dem fernenStresa,wo er Erholung suchte, herbeieilend in unseren Kreis trat. Ichhabe ihn nie mit einem so heiligen, erschütternden Ernst sprechenhören, wie dort nach der Rede seines Freundes Hergt. Erstand unter dem Eindruck des siegerhoffenden Jubels, denHergts Worte bei den Tausenden ausgelöst hatte. Es war,als ob er fürchtete, unsere Siegeshoffnungen könnten uns denfurchtbaren Ernst der Aufgabe vergessen lassen, zu denen unsder ersehnte Sieg führen sollte. Da trat er noch einmal voruns alle und erhob seine mahnende Stimme. Nicht als ob eruns abhalten wollte, Verantwortungen zu übernehmen, seinganzes Leben stand ja unter dem Dränge, Pflichten und Ver-antwortungen übernehmen zu können. Aber er wollteuns warnen vor Geringschätzung der Aufgaben und dieganze Partei mit jenem, ich möchte sagen, religiösen Ernst

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