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Karl Helfferich zum Gedächtnis : [Reden am Sarge in Mannheim am 30. April 1924]
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erfüllen, der im tiefsten Grunde stets Triebfeder seinesHandelns war.

Ich denke jener Abendstunde des Hamburger Reichs-parteitages, als zehntausend deutsche Frauen und Männer zueiner letzten Kundgebung versammelt waren, bevor sie in denWahlkampf hinauszogen. Helfferich hatte eigentlich nichtsprechen wollen, er litt wieder unter den Kopfschmerzen, dieihn seit einigen Monaten kaum verließen. Da sah und hörteer, daß all die vielen, die zusammengeströmt waren, geradevon ihm ein Wort des Trostes und der Hoffnung erwarteten.Er überwand sich und sprach zu uns. Ich glaube kaum, daß jewieder ein deutscher Politiker von solchem Jubel, von solch hin-gebender Begeisterung umtost worden ist wie Helfferich indieser Abendstunde. Und dieser Jubel schien ihn fast zu er-drücken, weil er wußte, wie unendlich schwer die Aufgaben seien,und wieviel geschehen müsse, um auch nur einen Teil diesergläubigen Hoffnungen zu erfüllen. Sein Blick glitt über dieMassen, glitt über diese verhärmten, gebeugten Gestalten, diesein Wort und seine Person auf Minuten aus dem Dunkeldumpfer Hoffnungslosigkeit herausgerissen, denen er einen Blickin ein lichteres Morgen eröffnet hatte. Sein Blick glitt überdie deutschen Jünglinge, die, die jungen Fäuste um den Schaftder schwarz-weiß-roten Fahnen gepreßt, jauchzend zu ihmemporschauten, in dem sie den Führer ahnten, nach dem ihrjunges Herz sich sehnte. Da brach das Eis, und über HelfferichsWangen rollten die Tränen. Da hatte er nur das eine Wortfür uns:Wenn Ihr schonHeil" rufen wollt, dann gelte esnicht einem Menschen, dann gelte es unserem Vaterlande!"Das war das Bekenntniswort des deutschen Mannes Helfferich!

Ahnte Helfferich, daß diese Feierstunde seine Abschieds-stunde von uns war, sagte ihm eine innere Stimme, daß eruns noch ein gutes Wort mit auf den Weg geben müsse? Wirwußten es nicht, wir können es heute noch nicht glauben, erwurde von uns gerissen in jener Stunde, als er ganz unser

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