§ 34. Die Quellen u. die Methode des H.R.'s, Treu u> Glauben. Interpretation. 219
ihrer inneren Wahrheit, unterliegen darum der jedesmaligen Prü-fung und der steten Berichtigung mit dem Fortschritte wissenschaft-licher Einsicht, insbesondere mit der tieferen und allseitigercn Er-gründung der Natur der Sache. Auch wird die eigene Prüfungdem Richter, Advocaten, Rechtslehrer nicht entbehrlich durch dieUebereinstimmung weder der Theorie (gemeine Meinung, eommunisoxinw clootoi'nrn) noch der Praxis (Gerichtsgebrauch) über den In-halt eines Rechtssatzes. Nur wohnt solcher Uebereinstimmung/ wieauch den Präjudicien angesehener, insbesondere höchster Landesge-richte, eine gewisse Autorität bei, welche durch die Gerichtsverfasfungdes Einzelstaates noch gesteigert sein kann. Auch erscheint es durch-aus erforderlich, die Wahrung der Einheit in der Anwendung undFortbildung des mehreren Staaten gemeinsamen Rechts nicht aus-schließlich der Wissenschaft zu überlassen, vielmehr durch Errichtungeines gemeinsamen höchsten Gerichtshofs die Praxis vor unvermeid-licher, im Endresultat einer Aushebung der Rechtsgemeinschaft nahekommender Zersplitterung zu wahren. Dies gilt vornämlich für dasgemeinsame Deutsche Handelsrecht^).
Für die Erkenntniß der Handelsrechtssätze gelten durchausdie allgemeinen wissenschaftlichen Principien. Es ist dabei vornäm-lich ein Doppeltes zu vermeiden: starre Buchstabeninterpretation —entsprechend einer überwiegend formalistischen Behandlung der Ver-kehrsgeschäfte ^) — und Willkühr, welche über das unzweifelhaft gel-tende Recht sich hinwegsetzt. Von beiden gleich entfernt ist die demRichter in Handelssachen vorzugsweise ziemende freie Würdigungder Sachlage, die billige Rücksichtnahme auf Natur und Lage derconcreten Verhältnisse Diese eigenthümliche Beurtheilung der
3) So die Resolutionen des zweiten Deutschen Jnrisientages «Zeitschrift fürHandelsrecht Bd. IV. S. 186), des ersten Teutschen Handelslages I Zeit-schrift V. S. 1!iv), des Preußischen Abgeordnetenhauses (Zeitschrift V.S. 569), der Nassauischen zweiten Kammer «Zeitschrift VI. S. 43), derBadischen zweucn Kammer (Zeitschrift VI. S. 462).
4) Gegen diese ist gerichtet H.G.B. Art. 278. Vgl. §. 35 Not. 29 a. E.
5) Von diesem richtigen Standpunkt aus, und gleich sehr gegeu Formalismusund Willkühr, wie beide sich nicht selten gerade in kaufmännischen Gerich-ten finden, gewendet beleuchtet schon 3kraeoka ((jnomo<Zo in causis rasr-esrtor. proeocl. sit. I. 1—3. ps.i'3 ulk.), vgl. clo I>ues, cls ers-6ito äisL. 24 Nr. S. iZiso 26 Hr. 12., den von deu Postglossatoren (Lar-tolus in I. 29. §. 1. I. 48. v. rasnä, 17, 1. Lklcws iu I. 10. L. ivanä.