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Staats-Armenpflege / von A. Lammers
Entstehung
Seite
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«Häufig wird vorgeschlagen, eine allgemeine Staats-Armensteuerzu erheben, d. h. die Kosten der Armenpflege durchweg aus derallgemeinen ' Casse der Nation statt aus localen Cassen zubestreiten. Um das Unheil darzuthun, das aus einem solchenVerfahren hervorgehen würde, braucht nur darauf aufmerksamgemacht zu werden, dafs es alle wirksamen Dämme gegen ver-schwenderische Pflege beseitigen würde. Die eifrigsten Freundehaushälterischer Verwaltung besinnen sich nicht, ihre Hand sotief wie möglich in den Reichsschatz zu stecken, wenn sie für sichund ihre Nachbarn aus demselben schöpfen dürfen. Eine Wähler-schaft verpflichtet wohl einmal ihren Abgeordneten ausdrücklichauf strenge Sparsamkeit; trotzdem kann dieser sich in ihrer Gunstnicht fester setzen, als wenn er für recht reichliche Verausgabungöffentlicher Gelder in seinem Wahlkreise Sorge trägt. Auf andererLeute Kosten edelmüthig zu sein ist immer leicht, und derDürftigkeit würde aller Orten aufs freigebigste geholfen werden,wenn nicht die nachbarlich zusammenwohnende nächste Gemein-schaft, sondern das grofse nationale Gemeinwesen die Mittel zuliefern hätte. Aus der Uebertragung der Armenlast von denOrtsverbänden auf den Staat würden sich zwei Folgen ergeben:erstens eine gewaltige Erhöhung des' Bedarfs, und folglich ent-sprechende Erschwerung der allgemeinen Last; zweitens eineverhängnifsvolle Beförderung der Einflüsse, welche Dürftigkeithervorbringen. Das Bekenntnifs hilfsbedürftiger Armuth würdefür träge und sorglose Menschen vermehrte Anziehungskraft er-langen; das Leben im Werkhause vielerwärts behaglicher werdenals die Existenz unabhängiger Arbeiter; Unterstützung in dereignen Behausung weit eher noch gewährt werden als jetzt, unddamit eine neue thatsächliche Prämie auf den Müfsiggang gesetztwerden. Deshalb kann der Gedanke der Staats-Armensteuer nichternstlich genug verurtheilt werden.»

In England wäre gleichwohl ein solcher Schritt weit einfacherund gewifs auch um etwas weniger gefährlich als bei uns, weileben die Armensteuer doch, wenn auch gemeindeweise erhoben,dort seit bald dreihundert Jahren allgemein und kraft Staatsge-setzes besteht. Sie hat also längst auf die Anschauungsweise derBevölkerung jene volle Einwirkung üben können, die in Deutsch-land zum Glück noch fehlt. Förmliche, ausdrückliche Armen-steuer wird bei uns nur ausnahmsweise erhoben, wie z. B. im