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womit zahllose Correspondenzen wegen Feststellung des Unter-stützungswohnsitzes und eventuellen Ersatzes der Kosten hinweg-fielen.
Wie man sieht, eröffnet sich so über den nächsten Zweckhinaus, Erleichterung der Communen in einer ihrer schwerstenLasten, eine Perspective auf Vereinfachung und Minderung desStreits um die Armenkosten unter den verschiedenen Communen.Nicht auf einmal zwar würde das Bundesamt für das Heimatwesenüberflüssig, aber es könnte doch einen Theil seiner geschultenKräfte vielleicht bald abgeben an die sachliche Oberaufsicht überdie Armenpflege im Reiche oder die sich ihm dafür unterwerfen-den einzelnen Länder.
Das ist jedoch überhaupt, däucht mir, der Unterschied zwischeneinem naturgemäfsen, sichern, gesunden und aussichtsvollen Ver-fahren in verwickelten inneren Fragen, und der Anwendung einernur in Machtangelegenheiten allenfalls erspriefslichen Gewaltpolitik.
Auf dem Wege, den wir eben mit einem erfahrenen Führerzwei Schritte weit gegangen sind, läfst sich ein so unübersehbares,dichtverflochtenes, vielgestaltiges und ungleich entwickeltes Ge-bilde wie die preufsische oder deutsche Armenpflege zwar nurganz allmählich, aber doch wirklich vorwärts bringen. Mit einpaar kühnen Griffen von noch so starker Hand ist es höchstensin unheilvolle Verwirrung zu setzen.
Die bedeutsamsten Fortschritte, welche die Armenpflege inDeutschland heute machen kann, liegen gar nicht auf dem vonder Staatsgewalt beherrschtem Gebiet. Wenn wir sie ernstlichfördern wollen, müssen wir uns freimachen von dem seit 1866selbst in liberalen Kreisen weit verbreiteten Wahn, als ob nurGesetze und Polizeimafsregeln gegen bestehende grofse Uebel etwasder Mühe werthes auszurichten vermöchten, und als ob höherenationale Wichtigkeit nur immer das habe, was die Regierungund das Parlament jeweils thun. Wären die Blicke bei uns nichtallzusehr auf die Reichs- und Staats-Spitze in Berlin gerichtet, dieVerbesserungen im Armenwesen brauchten nicht so viel Zeit, sichaus der einen Stadt oder Gegend, wo sie zuerst probirt worden,in andere zu verpflanzen. Denn freilich sind sie allesammt auscommunaler Initiative hervorgegangen. Freilich hat noch keinMinister je seinen Segen dazu gegeben, — aufser dafs GrafB. Eulenburg einmal etwas unbedacht unter hundert Vereinen
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