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Staats-Armenpflege / von A. Lammers
Entstehung
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Armenvater eine verhängnisvolle Ermunterung zur Vermehrungder Volkszahl ohne entsprechende Vermehrung der Erwerbskraftund der Unterhaltsmittel gebe; und dann könnten jene polizei-lichen Erschwerungen des Heiratens oder der festen Niederlassung,die in unsern Kleinstaaten früher schon aus der blofsen entferntenAnnäherung an Staatsarmenpflege entsprangen, leicht einmalwieder für das nothwendig zu wählende geringere Uebel erachtetwerden.

Das wären so einige von den Aussichten, die sich mit demUebergange zur directen Staatsarmenpflege eröffnen würden.Etwas verlockendes haben sie wohl nur für eine cäsarisch-napo-leonische Phantasie, die sich an vermeintlichen grofsen Mafsregeln,an drastischen Mitteln und raschen, wenn auch ephemeren Effectenberauscht. Die Parteien, die Stände, die Interessen, welche mitder Gesammtheit der Nation den Wunsch und die Erwartunglängeren Lebens theilen, müssen ungeachtet aller sonstigen Di-vergenz der Ideale und Ziele davor zurückschrecken. Ihnen kannan einer durchgreifenden, gebieterischen Einmischung und leiten-den Rolle des Staats im Armenwesen nichts gelegen sein.

Ganz ausgelöscht wird seine Betheiiigung am Spiele deshalbja keineswegs. Im Gegentheil, wenn er sich bescheidet, einerschon eingeleiteten spontanen Bewegung aus Gemeindeverwaltungenund Wohlthätigkeitsvereinen hervor ihren Lauf zu lassen, ohnedenselben mit übereilten allumfassenden Beglückungsprojecten zukreuzen, so werden ihm bald von dorther für seine eigne ActionAnträge genugzukommen, welche jedoch dann den Vorzug habenaus gesichteter reicher Erfahrung hervorgegangen zu sein.

Kurz ehe das Deutsche Reich an die Stelle des NorddeutschenBundes und der Bündnifs-Verträge mit den süddeutschen Staatentrat, waren in zwei der letzteren, Bayern und Baden, eigentlicheArmen-Gesetze erlassen worden; und Württemberg , das damalsnoch zurückblieb, hat den Vorsprung seiner Nachbarländer ein-geholt durch die Art der Ausführung des Reichsgesetzes überden Unterstützungswohnsitz. Prüft man diese Gesetze, die inhalt-reicher sind als das preufsische Ausführungsgesetz, so begegneteinem eine beachtenswerthe Uebereinstimmung der Gedanken.Das bayerische Gesetz (vom 29. April 1869) stellt die «öffentlicheArmenpflege» nur denjenigen Hilfsbedürftigen zu Gebote, welcheweder durch rechtlich verpflichtete Privatpersonen noch auch