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Staats-Armenpflege / von A. Lammers
Entstehung
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durch die freiwillige Armenpflege die nöthige Hilfe erlangenkönnen. Das badische Gesetz (vom 5. Mai 1870) knüpft «dieUnterstützung aus Mitteln der öffentlichen Armenpflege» durchausan die nämlichen Bedingungen. Das württembergische Aus-führungsgesetz vom 17. April 1873 läfst «die öffentliche Unter-stützung Hilfsbedürftiger« ebenfalls nur eintreten in dem fastwörtlich herübergenommenen Falle des bayerischen Gesetzes. DerUnterstützungszwang der Staatsgewalt tritt hier also nur ergänzendein, wo die freiwillige Nächstenhilfe einen Hilfsbedürftigen imStiche läfst. Dagegen spricht das Reichsgesetz vom 6. Juni 1870ohne solche Einschränkung von der Unterstützungspflicht derOrtsarmenverbände. Es fragt sich, ob es nicht wohlgethan wäre,dieselbe in einem weiteren Armengesetz für Preufsen und diekleinern Staaten auf Norddeutschland herüberzunehmen, waszu klären wäre durch das Studium der verschiedenen Wirkungendes einen und des anderen Grundsatzes auf die armenpflegerischePraxis und auf die Anschauungen in den Massen des niederenVolkes.

Das bayerische Gesetz spricht Arbeitsfähigen den Anspruchauf öffentliche Armenunterstützung ab; nur in Fällen dringenderNoth mufs die Armenpflege auch solchen diejenige Hilfe gewähren,welche im Interesse der öffentlichen Sicherheit oder Sittlichkeitunentbehrlich erscheint. Das badische Gesetz scheint ähnlichessagen zu wollen in dem Satze: «Die öffentliche Armenpflegeunterstützt diejenigen Personen, welche dauernd oder vorüber-gehend aufser Stande sind, aus eigenen Mitteln oder durch eigeneKräfte sich den nothdürftigen Unterhalt selbst zu verschaffen.»Das württembergische Ausführungsgesetz hält sich an den hiernicht weiter sondernden Text des Reichsgesetzes. Ist es alsovon praktischem Werth, zwischen arbeitsfähigen und anderenArmen im Gesetz zu unterscheiden?

Das badische Gesetz kehrt sich im § 8 auch gegen die soweitverbreitete Bedürftigkeits-PIeuchelei: «Wer durch unwahresVorgeben oder Vorenthaltung der Wahrheit von der öffentlichenArmenpflege Unterstützungen erschleicht, wird, sofern die Thatnicht in Betrug oder Fälschung im strafrechtlichen Sinne über-geht, mit Gefängnifs bis zu vier Wochen polizeilich bestraft. InWiederholungsfällen ist Schärfung der Gefängnifsstrafe zulässig.»

Eigenthümlich ist dem bayerischen Gesetz andererseits die