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Staats-Armenpflege / von A. Lammers
Entstehung
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wird, so gewähren die Gesetzgebungen der süddeutschen Länderund der Hansestädte ja nun bereits Anhaltepunkte und Vorbilder.

Zweifelhafter mag es erscheinen, ob auch Vereinen ein Zwangzum Anschlufs an die örtliche Armenverwaltung auferlegt werdendarf und soll. Im Gegensatz zu Stiftungen repräsentiren sielebendigen Willen. Ihre Entstehung wird gewöhnlich andeuten,dafs die amtliche Armenpflege dem Pflichtgefühl und menschen-freundlichen Bewufstsein des Publicums nicht genügt. Ihre Artzu verfahren bietet gegen die Behörden-Thätigkeit nicht alleinSchattenseiten, sondern auch Lichtseiten dar. Wäre die Aufgabenicht so grofs und ernst, der Culturgrad im Deutschen Reichenicht so unendlich verschieden, man könnte eine Armenpflegedurch Vereine ebenso gut oder besser schon als Ziel der Ent-wickelung ins Auge fassen, wie eine Armenpflege durch Behörden.Indessen heute wäre dies doch höchstens in den günstigst ent-wickelten gröfseren Städten denkbar; und auch da heischen nochReichs- und Landes-Gesetze, dafs die Gemeinde zur Unterstützungaller hilfsbedürftigen Deutschen bereitstehe. Deshalb mischt sichdie amtliche und die freiwillig vereinsmälsige Arbeit im Diensteder Noth, und deshalb kann es auch kaum ganz von derHand gewiesen werden, Wohlthätigkeitsvereinen die rechtlichePflicht aufzuerlegen, dafs sie sich der örtlichen Armenbehördefügsam anschliefsen, wie es in dem badischen Gesetz von 1870zunächst der Armenbehörde vorgeschrieben ist zu erwirken. Eineenergische Behörde freilich, die sich der mancherlei Mittel derOeffentlichkeit recht zu bedienen weifs, wird auch ohne gesetzlicheZwangsmittel an das Ziel eines wohlineinandergreifendenZusammen-wirkens von amtlichen Pflegern und denjenigen freier Vereine zugelangen verstehen.

Immerhin ist bis hierher schon genug angeführt worden, umdem Staate als Gesetzgeber und Oberaufseher über die Armen-pflege in Stadt und Land auch für die Zukunft Stoff in Füllenachzuweisen. Die Gemeinden aus der ihnen obliegenden Lastund Pflege verdrängen könnte er dagegen nur mit der gröfstenGefahr, nicht allein für seine Finanzen, sondern für die Wirth-schaftlichkeit und Sittlichkeit der der Verarmung ausgesetztenMassen des Volks. Auch wenn er sich in schwindelndem Flugeder allgemeinen Zwangsversicherung der Arbeiter unterwindensollte, thäte er nicht klug, gleichzeitig oder vorher die Commune