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Humboldt
willkührlich gewählten Zeichen haben ebensowenig, als die der Buchsta-ben, etwas, das den Geist zu zerstreuen vermöchte, .und die innere Ge-setzmäfsigkeit ihrer Bildung führt das Denken auf sich selbst zurück.
Dennoch wirkt auch eine solche Schrift gerade der idealen, d. h.der die Aufsenwelt in Ideen verwandelnden Natur der Sprache entge-gen, wenn sie auch nach der strengsten Gesetzmässigkeit in allen ih-ren Theilen zusammengefügt wäre. Denn für die Sprache ist nichtblofs die sinnliche Erscheinung stoffartig, sondern auch das unbestimmteDenken, inwiefern es nicht fest und rein durch den Ton gebunden ist;denn es ermangelt der ihr wesentlich eigenthümlichen Form. Die In-dividualität der "Wörter, in deren jedem immer noch etwas anderes, alsblofs seine logische Definition liegt, ist insofern an den Ton geheftet,als durch diesen unmittelbar in der Seele die ihnen eigenthümlicheWirkung geweckt wird. Ein Zeichen, das den Begriff aufsucht, undden Ton A r ernachlassigt, kann sie mithin nur unvollkommen ausdrücken.Ein System solcher Zeichen giebt nur die abgezogenen Begriffe deraufseren und inneren Welt wieder; die Sprache aber soll diese Weltselbst, zwar in Gedankenzeichen verwandelt, aber in der ganzen Fülleihrer reichen; bunten und lebendigen Mannigfaltigkeit enthalten.
Es hat aber auch nie eine Begriffsschrift gegeben, und kann keinegeben, die rein nach Begriffen gebildet wäre, und auf die nicht die inbestimmte Laute gefafsten Wörter der Sprache, für welche sie erfun-den wurde, den hauptsächlichsten Einflufs ausgeübt hätten. Denn dadie Sprache doch vor der Schrift da ist, so sucht dieselbe natürlich fürjedes Wort ein Zeichen, und nimmt diese, wenn sie auch durch syste-matische Unterordnung unter ein Begriffssystem vom Laut unabhängigeGeltung hätten, doch in dem. Sinn der ihnen untergelegten Wörter.Daher ist jede Begriffsschrift immer zugleich eine Lautschrift, und obsie, nebenher und in welchem Grade, auch als wahre Begriffsschriftgilt? hangt von dem Grade ab, in welchem der sie Gebrauchende diesystematische Unterordnung ihrer Zeichen, den logischen Schlüssel ih-rer Bildung, kennt und beachtet. AVer die den Wörtern entsprechen-den Zeichen nur mechanisch kennt, besitzt in ihr nichts, als eine Laut-schrift. AVenn eine solche Schrift auf eine andere Sprache übergeht,findet der gleiche Fall statt. Denn auch in dieser mufs der Gebrauch,