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Über die Buchstabenschrift und ihren Zusammenhang mit dem Sprachbau : Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 20. Mai 1824 / Wilhelm von Humboldt
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über die Buchstabenschrift.

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Man darf hiermit nicht verwechseln, dafs die Schrift den For-men auch mehr Festigkeit, und dadurch in anderer Rücksicht mehrGleichförmigkeit giebl. Dadurch wirkt sie vorzüglich nur der Spaltungin zu vielfältige Mundarten entgegen, und schwerlich würden sich, beianhaltendem Schriftgehrauch, die den meisten Amerikanischen Spracheneigenen Verschiedenheiten der Ausdrücke der Manner und Weiher, Kin-der und Erwachsenen, Vornehmen und Geringen erhalten haben. Indemselben Stamm und derselben Ciasse zeigen sonst gerade die Ameri-kanischen Nationen ein bewunderungswürdiges Festhalten der gleichenFormen durch die blofse Ueberlieferung. Man hat Gelegenheit, diesdurch die Vergleicbung der Schriften der in die ersten Zeiten der Eu-ropäischen Ansiedelungen fallenden Missionarien mit der heutigen Artzut sprechen zu bemerken. Vorzüglich bietet sich dieselbe bei denNordamerikanischen Stämmen dar, da man sich in den VereinigtenStaaten (und jetzt leider nur dort) auf eine höchst beifallswürdige Weiseum die Sprache und das Schicksal der Eingebornen bemüht. Es wäreindefs sehr zu wünschen, dafs sich die Aufmerksamkeit noch bestimm-ter auf diese Vergleichung derselben Mundarten in verschiedenen Zei-ten richtete. Die durch die Schrift hervorgebrachte Festigkeit ist da-her mehr ein Verallgemeinern der Sprache, welches nach und nach indie Bildung eines eigenen Dialects übergeht, und sehr verschieden vonder Durchführung Einer Regel durch eine Menge zwar ähnlicher, doch,Begriff und Ton genau beachtet, nicht immer ganz gleicher Fälle, vonder wir oben redeten.

Alles hier Gesagte findet auch auf das Zusammenhäufen zu vielerBestimmungen in Einer Form Anwendung, und wenn man den Grün-den tiefer nachgeht, so hangen die hier erwähnten Erscheinungen säinmt-lich von der mehr oder weniger stark und eigentümlich auf die Sprachegerichteten Regsamkeit des Geistes ab, von weicher die Schrift zugleichBeweis und befördernde Ursach ist. Wo diese Regsamkeit mangelt, zeigtes sich in dem unvollkommeren Sprachbau; wo sie herrscht, erfährt die-ser eine heilsame Umformung, oder kommt von Anfang an nicht zumVorschein. Mit dem einen und anderen Zustande aber ist die Schrift,das Bedürfnifs, nach ihr, die Gleichgültigkeit gegen sie, in beständigerVerbindung.