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Über die Buchstabenschrift und ihren Zusammenhang mit dem Sprachbau : Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 20. Mai 1824 / Wilhelm von Humboldt
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Humboldt

Bei der Aufzählung der Ursachen der Eigentümlichkeit der Ame-rikanischen Sprachen darf man aher auch die oben erwähnte Gleich-artigkeit derselben, so wie die Absonderung Amerika's von den übrigenWeluheilen nicht vergessen. Selbst wo entschieden verschiedene Sprachenganz nahe bei einander waren, wie im heutigen Neu-Spanien, habe ichin ihrem Bau nie eine belebende oder gestaltende Einwirkung der einenauf die andere an irgend einer sicheren Spur bemerken können. DieSprachen vorzüglich gewinnen aber an Kraft, Reichthum und Gestal-lung durch das Zusammenstofsen grofser und selbst contraslirender Ver-schiedenheit, da auf diesem Wege ein reicherer Gehalt menschlichenDaseyns, schon zu Sprache geformt, in sie übergeht. Denn dies nurist ihr realer Gewinn, der in ihnen, wie in der Natur, aus der Fülleschaffender Kräfte entsieht, ohne dafs der Verstand die Art dieses Schaf-fens ergründen kann, aus der Anschauung, der Einbildungskraft, demGefühl. Nur von diesen hat sie Sloff und Bereicherung zu erwarten;von der Bearbeitung durch den Verstand, wenn dieselbe darüber hinaus-geht, dem Sloff seine volle Gellung in klarem und bestimmtem Denkenzu verschaffen, eher Trockenheit und Dürftigkeit zu fürchten. DieSchrift nun kann sich leichter verbreiten, selbst leichter entstehen, woverschiedene Völkereigenthüinlichkeit sich lebendig gegeneinander bewegt;einmal entstanden und ausgebildet, kann sie aber auch, wie die logischeBearheilung, zu der sie am mächtigsten mitwirkt, der Lebendigkeit derSprache, und ihrer Einwirkung auf den Geist nachtheilig werden.

Bei den Amerikanischen Völkerstämmen lag aber dasjenige, wassie, da ihnen Buchstabenschrift einmal nicht von aufsen zugekommenwar, A r on derselben fern hielt, freilich vorzüglich noch im Mangel gei-stiger Bildung, ja nur intellectueller Richtung überhaupt. Davon gebendie Mexicaner ein auffallendes Beispiel. Sie besafsen, wie die Aegyp-tier, Hieroglyphen-Bilder und Schrift, machten aber nie die beidenwichtigen Schrille, wodurch jenes Volk der alten Welt gleich seine liefeGeisligkeit bewies, die Schrift von dem Bilde zu sondern, und das Bildals sinniges Symbol zu behandeln, Schritte, welche, aus der geistigenIndividualität des Volks entspringend, der ganzen Aegyptischen Schriftihre bleibende Form gaben, und die man, wie es mir scheint, nicht alsblofs stufen weis fortgehende Entwicklung des Gebrauchs der Bildex-schrift